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WAZ: Debatte über Familienpolitik - Zwei Minister als Hase und Igel - Leitartikel von Norbert Robers

Essen (ots)

Echte Freunde werden Finanzminister Peer Steinbrück
und Familienministerin Ursula von der Leyen wohl nicht mehr. Das hat 
weniger mit der unterschiedlichen Parteizugehörigkeit, sondern mit 
der forschen Art der Christdemokratin zu tun. Mit den beiden 
Ressortchefs funktioniert es wie beim Hase-und-Igel-Spiel: 
Haushalts-Sanierungs-Minister Steinbrück hat alle Mühe, das Geld für 
den neuesten familienpolitischen Vorschlag seiner Kabinettskollegin 
zusammenzukratzen, da steht Ursula von der Leyen bereits wieder am 
Start und ruft: Bin schon da, ich hab' 'ne neue Idee. Das ist 
einerseits zu begrüßen, weil es ein Indiz dafür ist, dass die 
Familienpolitik mit all ihren Facetten endlich im Zentrum der Politik
steht. Andererseits birgt dieser Hurra-Stil die Gefahr, dass jede 
familienfreundliche Anregung praktisch unter gesellschaftspolitischem
Artenschutz steht. Leichtes Spiel also für die Ministerin, die den 
Finanzchef vor sich hertreibt und in die Defensive drängt - diesmal 
mit ihren Vorstellungen über ein gestaffeltes Kindergeld.
Je nach Staffelung kostet dieser Vorschlag zwischen 1,7 und 2,2 
Milliarden Euro pro Jahr. Die Bundesregierung hat dieses Geld nicht. 
Neue Schulden verbieten sich, weil eben jene Kinder, die man heute 
damit fördert, morgen zur Rückzahlung verpflichtet wären. In diesen 
Fällen weicht die Politik gerne aus und propagiert Umschichtungen. 
Auf Deutsch: Kürzungen an anderer Stelle.
Der Vorschlag überzeugt aber auch inhaltlich nicht wirklich. 
Erfahrungsgemäß ist das erste Kind das teuerste: Das spricht dafür, 
das Kindergeld, wenn überhaupt, vom ersten Kind an zu erhöhen. Nur 
mit einem Zuschuss von über 200 Euro je Kind könnte zudem die Lücke 
zwischen dem Kindergeldbetrag und der höchsten steuerlichen 
Entlastung durch Kinderfreibeträge geschlossen werden. Denn es sind 
nur die Eltern mit höheren Einkommen - 63 000 Euro und mehr pro Jahr 
-, die von den Freibeträgen profitieren. Zudem hätte von der Leyens 
Idee, ab dem dritten Kind kräftig draufzusatteln, zur Folge, dass 
eine einfache Arbeiterfamilie mit zwei Kindern, relativ betrachtet, 
schlechter gestellt würde als eine ohnehin wohlhabende Familie mit 
drei Kindern. Ist das gerecht?
Es gäbe andere Möglichkeiten, die Armut von und an Kindern zu 
bekämpfen. Die Väter-Monate aufwerten, die Arbeitschancen von Frauen 
gezielt fördern, mehr Betreuungsplätze schaffen. Kurzum: die 
Vereinbarkeit von Familie und Beruf konsequent verbessern. Das kostet
Geld. Im Gegenzug also ran ans Ehegattensplitting, einem Relikt aus 
einer anderen Zeit.

Pressekontakt:

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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