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WAZ: Die SPD und die Linkspartei - Hessisches Pokerspiel - Leitartikel von Norbert Robers

Essen (ots)

Es müssen unsagbar schmerzhafte
Macht-Entzugserscheinungen sein, die die hessische SPD-Chefin Andrea 
Ypsilanti antreiben. Was sonst könnte so stark und beherrschend sein,
dass sie jede Art von gesamtparteilichem Interesse vergessen lässt? 
Es sind keineswegs nur Journalisten oder Politologen, die dieser 
Frage nachspüren, sondern auch Ypsilantis Parteifreunde. 
Selbstverständlich wissen sie, wie schwer es der starrköpfigen 
Sozialdemokratin fällt, mitansehen zu müssen, wie der von den Wählern
so heftig abgestrafte CDU-Ministerpräsident Roland Koch mit einer 
hauchdünnen Mehrheit und nur geschäftsführend weiterregieren darf. 
Natürlich wissen sie, dass es der entscheidende Fehler war, eine 
zunächst für alle Kommunal- und Landesverbände geltende Brandmauer 
zur Linkspartei aufgebaut zu haben. Sie wissen aber vor allem eines: 
Sollte Andrea Ypsilanti der Versuchung nicht widerstehen, nicht nur 
ihre persönliche Glaubwürdigkeit, sondern die der SPD insgesamt wäre 
ruiniert.
Die SPD käme infolgedessen aus dem Rechtfertigungs-Hamsterrad 
nicht mehr heraus. In Hessen gerne mit der Linkspartei, im Saarland 
vielleicht, in Thüringen eher nicht, bei der Bundespräsidentenwahl 
nur im Notfall, bei den Bundestagswahlen dagegen auf keinen Fall: Es 
ist ein abstrus abenteuerlicher Gedanke, dass die Wähler dieses 
argumentative Durcheinander erstens verstehen und zweitens 
akzeptieren könnten.
Es ist zwar nicht zu bestreiten, dass sich die Voraussetzungen 
für etwaige SPD-Links-Bündnisse von Ort zu Ort, von Land zu Land 
unterscheiden. Aber noch befindet sich das Verhältnis der SPD zur 
Linkspartei in einem Stadium der grundsätzlichen Unklarheit - zudem 
gibt es von Nord bis Süd reichlich Sozialdemokraten, die die 
Mitglieder und Sympathisanten der Linkspartei als unzuverlässige 
Utopisten und Populisten verunglimpfen. Die SPD müsste das Kunststück
vollbringen, den Wählern vor und nach jeder Kommunal-, Landtags- und 
Bundestagswahl zu erklären, warum sie nicht eine einzige, sondern 
drei oder vier Strategien gegenüber der Linkspartei verfolgt.
Es geht bei Andrea Ypsilantis Pokerspiel um weit mehr als um die 
Frage, wer künftig im Wiesbadener Landtag regiert. Es geht um die 
mittelfristige Statik der SPD insgesamt. Es geht um die 
Positionierung eines möglichen Kanzlerkandidaten Steinmeier. Es geht 
auch um die Autorität von Parteichef Beck, dessen Gegner sich nach 
einem Kurswechsel in Hessen mit lautem Geheul auf ihn stürzen würden.
Wie gesagt: Es müssen ungeheuer starke Kräfte sein, die Andrea 
Ypsilanti all dies ignorieren lassen.

Pressekontakt:

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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