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WAZ: Mit jeder Sensation wachsen die Zweifel. Leitartikel von Hans-Josef Justen

Essen (ots)

Geht das denn wirklich, was da abläuft? Kann der
Mensch schneller schwimmen als der Fisch und schneller laufen als ein
Zweirad mit Motor-Antrieb? Sind bei Olympia in Peking zwei Giganten 
von übermenschlicher Leistungsfähigkeit entdeckt worden, oder wurzeln
ihre geradezu überirdischen Kräfte im Doping-Sumpf?
Einer wie Michael Phelps, der acht Goldmedaillen aus dem 
Schwimmteich fischte und dabei gleich siebenmal den Weltrekord 
unterbot, oder einer wie Usain Bolt, der trotz angezogener Handbremse
zum Königsthron der Sprinter stürmte und seine Konkurrenten wie 
Trimmtraber aussehen ließ, wären noch vor Jahren wie ein Mensch 
gewordenes Weltwunder bestaunt worden. Doch das unglaubliche, kaum zu
erklärende Ausmaß ihrer Dominanz nährt die Skepsis, und mit jeder 
sogenannten Sensation wachsen die Zweifel.
Frei von Verdacht ist der Leistungssport nie gewesen. Aber 
spätestens seit Seoul '88, seit der folgenschweren Affäre um den 
kanadischen Sprinter Ben Johnson, dessen Gold-Triumph im Chemie-Labor
zu Stande kam, hat Olympia die Unschuld verloren: Unverbesserliche 
Fans nähern sich den "Helden" als Fähnchenschwenker und 
Schulterklopfer, doch sonst ist überwiegend kritische Distanz 
angesagt. Und zwar nicht allein gegenüber Michael Phelps oder Usain 
Bolt. Nicht allein gegenüber dem plötzlichen Leistungsschub der 
jamaikanischen Sprinter, die am Sonntag mit dem Dreifach-Triumph der 
Frauen eine historische Marke setzten. Nicht allein gegenüber dem 
chinesischen Mirakel, das der Medaillenspiegel auf verblüffender 
Weise ausdrucksvoll reflektiert: Nein, der Grad des Misstrauens ist 
so groß geworden, dass künftig vielleicht auch noch Zeitnehmer und 
Kampfrichter ins Zwielicht geraten könnten.
Diese eigentlich perverse Entwicklung geht auf ein Rekord- und 
Leistungsstreben zurück, das mit den Möglichkeiten menschlicher 
Kräfte kaum noch in Einklang zu bringen ist: Die 100 Meter in 9,69 
Sekunden zu bewältigen, das Schwimmbecken mit ständig neuen 
Bestzeiten zu durchpflügen, provoziert eine Skepsis, die fairerweise 
jedoch nicht verallgemeinert werden darf: Natürlich ist nicht alles, 
was bei Olympia abgeht, versaut und versumpft, natürlich kann und 
darf sich ein Großteil der Athleten auf Sauberkeit berufen. Doch wo 
die Leistungen das Unvorstellbare übersteigen, schwindet die 
Gutgläubigkeit. Zum Beispiel gegenüber "Giganten" wie Michael Phelps 
und Usain Bolt, die zu stark auftrumpften, um unverdächtig zu 
bleiben.

Pressekontakt:

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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