Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Weltbank legt Bericht vor - Die Armut nimmt ab - Leitartikel von Hannes Koch
Essen (ots)
Keine soziale Bewegung hat die reichen Industriegesellschaften im vergangenen Jahrzehnt so geprägt wie die der Globalisierungskritiker. Die aus Frankreich stammende Organisation Attac beeinflusst die öffentliche Meinung in vielen Ländern stark. In Deutschland haben es die Globalisierungskritiker geschafft, die Meinungsführerschaft zu erobern. Unser Bild der Globalisierung ist geprägt von ihrem Blick: Der Weltmarkt gilt vielen Menschen als etwas Gefährliches, vor dem man sich in Acht nehmen muss.
Doch nun stellt sich heraus, dass die Globalisierung offenbar besser ist als ihr Ruf. Eine zentrale These der Protestbewegung scheint eher auf Vorurteilen, denn auf Fakten zu beruhen. Die Behauptung lautet: Der Neoliberalismus verschärft die soziale Lage auf der Welt. Ein neuer Bericht der Weltbank belegt, dass die Globalisierungskritiker mit dieser Aussage falsch liegen.
Natürlich kann man über Statistiken streiten. Davon abgesehen beschreiben die Zahlen der Weltbank die soziale Lage auf dem Globus so: 1981 waren 1,9 Milliarden Menschen arm, sie mussten von weniger als 1,25 US-Dollar pro Tag leben. Bis 2005 sank diese Zahl auf 1,4 Milliarden Menschen. Gleichzeitig wuchs die Weltbevölkerung von rund 4,2 auf etwa 6,5 Milliarden. Während 1981 somit rund 45 Prozent aller Menschen unter Armut litten, waren es 2005 noch etwa 22 Prozent. Die gute Nachricht lautet: Die Armut ist im Zeitalter der Globalisierung zurückgegangen, sie wurde seit Beginn der 1980er Jahre immerhin halbiert.
Den größten Teil dieses Fortschritts trägt China bei. Aber auch in anderen problematischen Regionen hat die Armut stark abgenommen, zumindest relativ. Die einzige Weltgegend, in der die Forscher keine Besserung verzeichnen, ist Afrika südlich der Sahara. Dort sind nach wie vor 50 Prozent der Bevölkerung bettelarm, die Zahl der Notleidenden steigt stark an.
Auch in der Zeit des Neoliberalismus, den die Globalisierungskritiker bekämpften, ist die Welt nicht schlechter, sondern besser geworden. Trotzdem haben die Bürgerrechts- und Entwicklungsgruppen in manchen Punkten Recht. Die von ihnen beklagte schärfere Spaltung in Arm und Reich ist tatsächlich eingetreten. Während Hunderte Millionen Menschen noch immer nichts zu beißen und kein sauberes Wasser haben, sind die Gewinne der Konzerne in abenteuerliche Höhen gestiegen. Würden die reichsten Unternehmen ihre Profite in die Bekämpfung der Armut investieren, wäre das Problem in wenigen Jahren Geschichte.
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