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WAZ: SPD-Führung - Sozialökonomische Vernunft gesucht - Leitartikel von Thomas Wels

Essen (ots)

Ruhe und Geschlossenheit, das ist nun die erste
Führungsaufgabe des neuen Duos an der Spitze der SPD. Aber was folgt,
wenn diese nicht ganz einfache Herausforderung gemeistert ist? 
Kandidat Steinmeier und Parteichef Müntefering müssen ihren Truppen 
Weisung geben, neues Selbstbewusstein einhauchen, sie müssen den 
Markenkern des Sozialen aufpolieren und zugleich - auch um 
Deutschland willen - ökonomische Vernunft walten lassen.
Das ist leichter gesagt als getan. Schon der ebenso einfache wie 
richtige Müntefering-Satz, wonach es ohne wirtschaftlichen Erfolg 
nichts zu verteilen gibt, dürfte in den Ohren mancher Linken 
klingeln: Wie, schon wieder Vorrang der ökonomischen Vernunft?
Eines ist sicher: Das, was programmatisch aus der SPD-Spitze noch
kommt, wird nicht den Namen Agenda 2020 tragen. Zu groß sind die 
Verheerungen, die die eiseskalten technokratischen Begriffe Hartz IV 
und Agenda 2010 an der Parteibasis angerichtet haben. Die beiden 
Müntemeiers müssen es schaffen, eine ökologische Sozial-Ökonomie zu 
entwerfen. Dazu gehört eine Antwort auf die Frage, was den 
Sozialstaat in Zeiten des weltweiten Wettbewerbs ausmacht; dazu 
gehört es aber auch, aufzuhören, sich für die wirtschaftlichen 
Erfolge der Vergangenheit zu schämen.
Zwei Millionen neue sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze 
sind seit 2006 entstanden. Seltsam nur, dass die Deutschen dennoch 
das Gefühl umtreibt, es werde alles schlechter. Seltsam auch deshalb,
weil die Sozialtransfers mehr und nicht weniger wurden, der 
Sozialstaat immer noch jeden dritten Euro aus der erarbeiteten 
Leistung an Bedürftige umverteilt.
Wo steht nun die Klientel der SPD? Bei denen, die zuerst 
umverteilen wollen und dann arbeiten oder bei denen, die erst 
arbeiten wollen und dann verteilen? Indus-trialisierung und 
Arbeiterschaft - das sind die Wurzeln der Sozialdemokratie. Mit einem
modernen, den Strukturwandel hin zu Dienstleistungsjobs umfassenden 
Begriff der Arbeitnehmerschaft kann die SPD sich gegen die 
Linkspartei positionieren. Immer schon waren die Anhänger der SPD 
leistungsorientiert, wollten Aufstiegs- und Bildungschancen nutzen. 
Das ist nicht neu, neu ist nur Oskar L., das Schreckgespenst, das 
all' dies hat vergessen lassen.
Sogar, dass die SPD dank der internationalen Solidarität ein 
stabiles Fundament hat, auf dem sich Globalisierung und Gerechtigkeit
gemeinsam entwickeln lassen.

Pressekontakt:

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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