Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Verdi-Demonstration - Der Krampf ums Sparkassengesetz - Leitartikel von Thomas Wels
Essen (ots)
Es ist schon bemerkenswert mit welcher Kraft und Eintracht Verdi, SPD, Sparkassenchefs und Kommunen gegen Änderungen am Sparkassengesetz in NRW anrennen. Diese Mobilisierung, geschürt durch Ängste vor Privatisierung und Stellenabbau, ist gemessen an den vergleichsweise kleinen Änderungen jenseits der Grenze des Seriösen angelangt.
Schon das Konstrukt, das den Privatisierungspopanz hält, ist zurechtgebogen. Die Einführung von Trägerkapital, also der Ausweis der Eigentumsanteile von Kommunen an Sparkassen, wird als Einfallstor für die Privatisierung gesehen - obwohl Kommunen es freiwillig einführen können, obwohl im Gesetz die öffentlich-rechtlichen Strukturen der Sparkassen festgeschrieben sind.
Es könnte ja sein, so argumentieren die Gegner, dass allein der Hinweis auf das Kapital eine klamme Kommune in ferner Zukunft auf die Idee bringen könnte, Sparkassenanteile an Private zu verkaufen. Und deshalb betonieren sich die Funktionäre auf dem Status Quo fest. Aus Sicht von Sparkassenvorständen kann man eine solche Abwehrhaltung vielleicht noch verstehen: weil Veränderung unangenehm ist, weil der Ausweis von Kapital auch eine vergleichbare Renditerechnung der Institute untereinander öffentlich darstellbar macht. Besonders seltsam ist aber, dass die Kommunen selbst das bisschen Freiheit, das ihnen das Gesetz bietet, zurückweisen. Die Sparkassen gehören den Kommunen. Was ist falsch daran, wenn Volksvertreter über die Gewinnverwendung der Sparkassen entscheiden?
Im Detail ist das Gewirr für Außenstehende kaum durchschaubar. Umso unverantwortlicher ist es, so zu tun, als hingen von der Änderung des Gesetzes 20 000 Jobs ab. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Wer mit dem Kopf im Sand steckt, der sieht nicht, welche Bankfusionen entstehen, welche neuen internationalen Wettbewerber (etwa die aus italienischen Sparkassen entstandene Unicredit) antreten. Im Geschäft mit dem größeren Mittelstand haben die öffentlich-rechtlichen Institute bereits große Marktanteile verloren, und auch sonst gelten sie nicht gerade als Hort der innovativsten Produktentwickler im Land.
Wer sich nicht bewegt, wird bewegt: spätestens von der EU-Wettbewerbskommission. Ihr Vorstoß, der WestLB zu erlauben, das Geschäft der Sparkassen zu betreiben, ändert weit mehr als das Gesetz beabsichtigt. Der Brüsseler Vorstoß ist denn auch der einzig vernünftige Grund, die Gesetzesnovelle bis zur baldigen Lösung der WestLB-Problematik auf Eis zu legen.
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