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WAZ: CDU unter Druck - Mehr Staat wagen Leitartikel von Angela Gareis

Essen (ots)

Vor Monaten bat Josef Ackermann den Staat in der
heraufziehenden Finanzkrise um Hilfe. Der Staat hilft. Und weil er 
das tut, kann der Chef der Deutschen Bank es sich wieder leisten, 
sich zu "schämen", wenn er Geld annehmen müsste. Während Ackermann im
Zweifel von der psychologischen Wirkung der staatlichen Garantien 
profitieren würde, behauptet er mit erstaunlicher Dreistigkeit, er 
habe den Staat (und dessen Einmischung) überhaupt nicht nötig. Selten
hat eine Führungspersönlichkeit ihr Verhältnis zum Staat derart 
schonungslos offengelegt: Es ist kein Zufall, dass Kanzlerin Angela 
Merkel ihre Entrüstung über Ackermann sehr deutlich übermittelte. 
Denn ihr Verhältnis zum Staat ist bestenfalls unklar. Vor wenigen 
Jahren noch wollte die CDU-Vorsitzende die Wirtschaft vom Staat 
erlösen und führte einen marktliberalen Bundestagswahlkampf im 
trügerischen Bewusstsein großer Stärke. Die Union lag in den Umfragen
kilometerweit vor der im Zuge der Agenda 2010 zerrissenen SPD - und 
siegte am Ende miserabel knapp.
Ein Jahr vor der Bundestagswahl verschafft die Finanzkrise den 
staatsaffinen Positionen der SPD, deren neuer alter Vorsitzender 
Müntefering früh das Wort von den "Heuschrecken" prägte, eine 
Glaubwürdigkeit, um die Merkel und ihre CDU erst noch kämpfen müssen.
Dass sie darum kämpfen müssen, hat Jürgen Rüttgers gerade noch einmal
hervorgehoben. Er fordert seit Jahren programmatische Korrekturen der
neoliberalen Vorstellungen, denen sich die CDU auf dem Parteitag in 
Leipzig 2003 verschrieben hatte. Der Staat, sagt Rüttgers, müsse 
Bürgern Sicherheit geben.
Eine öffentliche Debatte kann Merkel, die vor dem Parteitag im 
Dezember Korrekturen formulieren lässt, sehr schlecht gebrauchen. 
Jede Erinnerung an den Parteitag von Leipzig untergräbt ihre 
Überzeugungskraft. Dass der frühere Finanzexperte Friedrich Merz, der
Star dieses Parteitags, unlängst sein Buch "Mehr Kapitalismus wagen" 
vorstellte, ist so eine unangenehme Erinnerung wie auch die von 
Rüttgers: "Das Wahlprogramm von 2009 wird nicht so sein wie 2005."
Für die Kanzlerin wäre es gefährlich, wenn Wähler den Eindruck 
gewännen, sie habe ein ähnlich wendiges Verhältnis zum Staat wie 
Ackermann. 2005 glaubte Merkel, den Staat und dessen Regelungsmacht 
(Beispiel Kündigungsschutz) reduzieren zu können. Hingegen baute ihr 
Innenminister Schäuble die staatlichen Überwachungsmöglichkeiten 
kräftig aus. Bis 2009 muss Merkel eine wirklich plausible Haltung 
finden, wenn Wähler ihr vertrauen sollen.

Pressekontakt:

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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