Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Moschee-Eröffnung in Duisburg - Kleine Schritte zum großen Wunder - Leitartikel von Britta Heidemann
Essen (ots)
Die Fremden - sie stören uns. Menschen, die eine andere Sprache sprechen, die anders aussehen und ein anderes Essen zubereiten, sie irritieren. Weil sie unsere Ordnung durcheinanderbringen. Ja, darf man so etwas denn sagen?
Na klar. Vielleicht können wir uns die Irritation leichter eingestehen, wenn wir sie als etwas Positives betrachten. Und einen Philosophen an unserer Seite wissen. Bernhard Waldenfels, ehemals Professor in Bochum, plädiert dafür, "sich anregen zu lassen von Überraschungseffekten" - Angst zuzugeben, damit sie nicht zu Abschottung und Abwehr führt. So weit die Theorie.
Die Praxis erleben wir gerade in Duisburg. Die Lösung ist so simpel, dass man versucht ist, sie als "kulturellen Dialog" zu überhöhen. Dabei haben sie doch nur: miteinander geredet. Haben sich gegenseitig irritieren und stören lassen, bis sie sich so fremd gar nicht mehr waren. Warum funktioniert das "Wunder" hier (nicht in Köln)? Vielleicht, weil das Ruhrgebiet sich seiner Einwanderergeschichte bewusst ist. Das hat nichts damit zu tun, sich überrollen zu lassen von einer Invasion, wie Giordano sie offenbar befürchtet - sondern mit Pragmatismus in der Problembewältigung.
Die Stadt Duisburg begann bereits 2004 in einem Modellprojekt, ihre Lehrstellen für "Jugendliche aus Zuwandererfamilien" zu öffnen; die Duisburger Integrationsbeauftrage Leyla Özmal mahnt dieser Tage in all' dem Jubel an, die Jugendlichen des Duisburger Nordens nicht aus dem Blick zu verlieren. Mit gutem Grund. Denn noch nicht einmal jeder Vierte der 18- bis 23-jährigen Migranten in Deutschland hat nach den aktuellsten Zahlen aus 2006 einen Ausbildungsplatz, so eine Studie des Bundesinstituts für Berufsbildung. Bei Deutschen betrug die Quote: 57 Prozent.
Dass Arbeitslosigkeit einer der Hauptgründe für jugendliche Gewalt ist, wissen Experten wie der Kriminologe Christian Pfeiffer; gerade unter Migranten steige die Gewaltbereitschaft. Er spricht von "Machokultur" und damit ein weiteres Problem an. Wäre Bildung denn ein Gegengift gegen eine "Kultur" der Gewalt? Die türkische Frauenrechtlerin Serap Cileli betont stets, sie stamme aus einer "Vorzeigefamilie", die ihren Kindern eine gute Ausbildung ermöglichte - und die doch ihre Tochter gegen deren Willen in die Türkei verheiratete.
Vielleicht sind Sprache und Sprechen, miteinander und möglichst auf Deutsch, keine Garantie für Integration. Aber der erste Schritt, den wir gehen müssen.
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