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WAZ: Der neue US-Präsident - Die Sehnsucht nach dem Anti-Bush - Leitartikel von Lutz Heuken

Essen (ots)

Bis zu 85 Prozent der Befragten in Deutschland haben
sich Barack Obama als nächsten US-Präsidenten gewünscht. Das bedeutet
nicht etwa, dass all diese Menschen so begeistert sind von Obamas 
politischem Programm (das die meisten so genau auch gar nicht 
kennen), das bedeutet schlicht: Die Deutschen - wie fast alle 
Europäer - wünschen sich einen vermeintlichen Anti-Bush an die Spitze
der einzigen Supermacht; sie wünschen sich einen Gegenentwurf zu 
jenem grobschlächtigen Texaner, der nicht nur in den USA inzwischen 
als der schlechteste Präsident aller Zeiten gilt. Und wer wäre ein 
besserer Anti-Bush als dieser jungenhafte 47-Jährige?: Schwarz. 
Gutaussehend. Eloquent. Charmant.
Ohne die tiefe Abneigung, ja Verachtung gegenüber Bush, keine 
derart hemmungslose Begeisterung für Obama: Die geringe 
Wertschätzung, die John McCain in unseren Breiten genießt, dürfte 
seiner republikanischen Herkunft gedankt sein. McCain ist, zumindest 
aus der Entfernung gesehen, den meisten dann doch zu Bush-ähnlich. 
Dass dieser Mann in Amerika so viele Anhänger hat, verwundert in 
Europa fast so wie die Tatsache, dass die Amerikaner den 
Kriegstreiber Bush zweimal ins Amt wählten.
Die Erwartungen, ja Sehnsüchte, sind groß, die Europa mit dem 
Machtwechsel in Washington verbindet. Da liegen Linke und 
Konservative gar nicht so weit auseinander. Mit Leidenschaft hat die 
Linke den Irak-Krieg bekämpft, hat die unmenschlichen Praktiken in 
Abu Ghoreib und Guanta´namo angeprangert und fast verzweifelt einen 
Kurswechsel in der Klimapolitik angemahnt. Und nun sehnen auch die 
meisten Konservativen in Europa - traditionell den Amerikanern eng 
verbunden - das Ende der Bush-Ära herbei: Der US-Präsident hat acht 
Jahre lang fast keine Gelegenheit ausgelassen, die angeblich 
gemeinsamen Werte in den Dreck zu treten. Dass zuletzt marktradikale 
Kamikaze-Banker unter Bush das gesamte Welt-Finanz- und 
-Wirtschaftssystem an den Abgrund führten, tut ein Übriges: Die 
Sehnsucht nach einem Neuanfang jenseits des Atlantiks ist über alle 
ideologischen Grenzen hinweg übergroß geworden.
Bei aller Freude: Auch der neue US-Präsident wird zuerst hart die
Interessen seines Landes vertreten; auch er wird den Irak-Krieg nicht
sofort beenden; er wird sogar mehr deutsche Truppen für Afghanistan 
einfordern; er wird weiterhin unter enormem Einfluss jener 
Industrie-Lobby stehen, die Umweltschutz für Geldverschwendung hält. 
Leicht wird es auch mit dem neuen Präsidenten nicht werden. Aber: 
hoffentlich deutlich besser als mit Bush.

Pressekontakt:

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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