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WAZ: Die Kanzlerin und die Krise - Merkels ruhige Hand - Leitartikel von Ulrich Reitz

Essen (ots)

Ist Angela Merkel denn nun eine schlechte
Krisenkanzlerin? Fehlt ihr das Entscheidungs- und Machtgen ihrer 
Vorgänger Helmut Schmidt, Helmut Kohl und Gerhard "Basta" Schröder? 
Zögert und zaudert sie, wo sie entschieden führen müsste?
Erstens: Merkel ist nicht alleine unterwegs. An ihrer Seite steht
nicht nur der SPD-Finanzminister. Vor Rezessions-Aktionismus warnt 
auch der SPD-Umweltminister. Die Große Koalition ist also einig. 
Ausnahme: die CSU in München. Das war aber immer schon so, unter 
anderem die 16 Jahre lang, die Kohl regierte.
Zweitens: Noch aus anderen Gründen ist Merkels Linie nicht 
unbedingt falsch. Die Physikerin analysiert naturwissenschaftlich 
kühl: der Ursprung der Großkrise ist eine Politik des allzu lockeren 
Geldes in den USA. Warum sollte ausgerechnet eine Politik des 
lockeren Geldes die Lösung sein?
Drittens: Jeder der vielen Vorschläge für eine Politik des 
offenen Geldbeutels hat gravierende Nachteile. Die SPD verlangt 
kommunale Programme, die CDU-Bildungsministerin mehr Geld für 
Schulen. Nur: ob deutsche Handwerker profitieren, ist fraglich. 
Öffentliche Aufträge müssen europäisch ausgeschrieben werden. 
Dahinter steckt nicht nur der Gedanke eines gerechten Wettbewerbs, 
sondern auch der, mit öffentlichem Geld vernünftig umzugehen. Weshalb
sollten Oberbürgermeister einen deutschen Handwerker bevorzugen, wenn
dessen Kollege aus Polen billiger arbeitet?
Viertens: Merkels europäische Rivalen Sarkozy und Brown liegen 
auch nicht unbedingt richtig. Die britische Mehrwertsteuersenkung 
hat, jedenfalls bislang, wenig bis nichts gebracht. Und Sarkos 
staatsplanerisches Hektikerprogramm wirkt kaum kurzfristig. Die 
Franzosen und Briten sind nicht klüger als die deutsche Regierung, 
nur weil sie schneller entscheiden. In Wirklichkeit kennt niemand 
einen Königsweg.
Fünftens: Mangelnden Mut wird man Merkel (und Steinbrück) kaum 
vorwerfen können. Immerhin stellt sie sich gegen nahezu die gesamte 
europäische Regierungselite und die öffentliche Meinung dazu; und 
riskiert obendrein ihren Ruf als Klimakanzlerin. Mit den Wölfen zu 
heulen ist nicht mutig. Es kann auch feige sein.
Sechstens: Merkel kann nicht anders, sie ist eben skeptisch. Sie 
folgt dem Kleine-Schritte-Ansatz des Politphilosophen Popper: Versuch
und Irrtum, neuer Versuch, neuer Irrtum, usw. Helmut Schmidt 
bevorzugte denselben intellektuellen Ratgeber.

Pressekontakt:

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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