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WAZ: Chance der Koalition: Wie sich die Krise nutzen ließe. Leitartikel von Thomas Wels

Essen (ots)

Die Betriebsamkeit auf der groß-koalitionären
Baustelle ist zu Jahresbeginn unüberhörbar. Kaum ein Tag vergeht seit
Neujahr, an dem nicht einer der Spitzen aus CDU, CSU und SPD 
lautstark einen Pflock einhaut: zum einen zur Rettung der Konjunktur,
zum anderen zur Rettung des eigenen Profils. Und so dürfte das 
Konjunkturpaket II bestückt werden mit einem Sammelsurium 
verschiedener Maßnahmen.
Was bislang die Schwäche dieser Großen Koalition kennzeichnete - 
der Zwang zum Kompromiss und folglich reichlich verpfuschte Reformen 
wie etwa der Gesundheitsfonds -, könnte nun heilsam wirken: Es ist 
durchaus sinnvoll, die Konjunktur mit unterschiedlichen Treibsätzen 
zu befördern.
 Die Steuerentlastung, die sich die CSU von der großen Schwester CDU 
ertrotzen will, ist strukturell sinnvoll, wenn die Bundesregierung 
zugleich die Steuersätze jährlich um die Inflationsrate bereinigt. Es
ist ein Unding und Unsinn, dass der Staat mit steigenden 
Einkommensteuersätzen zulangt, wenn Arbeitnehmer durch Lohnerhöhungen
lediglich einen Inflationsausgleich erhalten. Und wenn schon Hand 
angelegt wird, dann sollte gleichzeitig der überproportionale Anstieg
der Steuersätze bei unteren und mittleren Einkommen mit unter die 
Schleifmaschine.
Auch die SPD hat gute Argumente dafür, einen Großteil des neuen 
Konjunkturprogramms in öffentliche Investitionen wie die Sanierung 
von Schulen und Hochschulen - oder den Straßenbau - zu stecken. 
Schließlich kann niemand vorhersagen, ob die Deutschen ersparte 
Steuer-Cents ausgeben oder auf die hohe Kante legen. Im letzteren 
Fall verschwände der erhoffte Konjunktureffekt auf dem Sparkonto. 
Ebenso ist der Einsatz der Sozialdemokraten für eine Absenkung der 
Krankenkassenbeiträge vernünftig. Das nützte allen Arbeitnehmern - 
aber Rentnern und Geringverdienern tendenziell mehr als das 
Steuerpaket. Und die SPD-Forderung nach Absenkung des 
Krankenversicherungsbeitrags steht bereits im Koalitionsvertrag mit 
dem dort formulierten Ziel, die Beiträge zur Arbeitslosen-, Kranken- 
und Rentenversicherung für Arbeitnehmer und Arbeitgeber insgesamt 
dauerhaft auf unter 40 Prozent zu drücken.
So birgt die Krise eine Chance: Die Große Koalition kann aus der 
Not eine Tugend machen und strukturelle Fehler (siehe Steuertarif und
zu niedrige Bildungsinvestitionen) ausmerzen. Wenn der Staat schon 
Geld zu Lasten künftiger Generationen ausgibt, dann wenigstens 
teilweise auch zu deren Nutzen.

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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