Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Schalkes teure Fehlplanungen. Kommentar von Hans-Josef Justen
Essen (ots)
In der Rückrunde mit aller Macht, allem Ehrgeiz, aller Hingabe anzugreifen und sich vom frustrierenden siebten Rang auf Champions-League-Niveau hochzuhangeln, ist Schalkes wortreich bekräftigtes Ziel. Doch als die physische und mentale Vorbereitung auf die zweite Halbzeit der Liga begann, äußerte sich diese geballte Entschlossenheit nicht gerade auf überzeugende Weise: Die so genannte Sambafraktion, wie die südamerikanischen Profis in Königsblau genannt werden, tanzte mit einem Tag Verspätung an (was mit Trainer Fred Rutten angeblich so abgesprochen war), und Ze Roberto scheint seine dreiste Ansage tatsächlich umzusetzen: Weil der deutsche Winter zu kalt und Schalkes Trainingsbeginn zu früh sei, werde er auf Nimmerwiedersehen in Brasilien bleiben. Vor einem Jahr kam er. Drei Millionen Euro hat er gekostet, insgesamt eine halbe Stunde war er am Ball, weshalb leicht auszurechnen ist, wie verdammt teuer jeder Auftritt dieser zickigen Diva gewesen ist: 100 000 Euro pro Minute. Ihn jetzt arbeitsrechtlich zu belangen, ist zumindest indirekt das Eingeständnis von personeller Fehlplanung, von kostspieligen Flops, die sich jedoch nicht allein auf Ze Roberto begrenzen. Sondern die auch Peter Lövenkrands betreffen und Albert Streit und Carlos Grossmüller, die zum Training mit den Amateuren strafversetzt wurden: Millionäre unter Viertligisten - abenteuerlich. Sich zu irren, ist menschlich. Fachlich daneben zu liegen, ist keineswegs ungewöhnlich und deshalb verzeihlich. Auffällig und irritierend jedoch ist die Vielzahl der Schalker Fehleinschätzungen, die Manager Andreas Müller und Trainer Fred Rutten nun mit dem Segen der Vereinsführung zu korrigieren gedenken. Aber ist es nicht längst zu spät? Mussten Präsident Josef Schnusenberg und der mächtige Verwaltungsrats-Boss Clemens Tönnies nicht viel früher eingreifen? Und hätten sie die Leitenden Angestellten nicht mit Nachdruck auf Schalkes vereinseigene Talentschule verweisen müssen, die einen Teil der aufwändigen Einkaufsreisen rund um die Welt total überflüssig macht? Brasilien liegt doch vor der Haustür.
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