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WAZ: Klage gegen EU-Reformvertrag - Unplausible Einwände - Leitartikel von Knut Pries

Essen (ots)

Die Karlsruher Verfahren gegen den EU-Vertrag
gehören mittlerweile zur deutschen Politik wie "Dinner for one" zu 
Silvester. Peter Gauweiler ist Freddie Frinton: Steht in Deutschland 
die Ratifizierung einer neuen Geschäftsordnung der Europäischen Union
an, sind der CSU-Abgeordnete und sein Rechtsbeistand Karl Albrecht 
Schachtschneider zuverlässig zur Stelle. Ihre Einwände sind in der 
jetzt anhängigen Runde nicht plausibler geworden.
Prinzipiell gibt es zwei fundamentale Kritikpunkte: die 
schleichende Zentralisierung und das Demokratiedefizit. "Brüssel" 
habe die Neigung, immer mehr politische Zuständigkeiten an sich zu 
ziehen. Zugleich schwinde die Möglichkeit des Bürgers, an den 
Entscheidungen mitzuwirken. Beide Probleme gibt es, sie sind nicht 
eingebildet. Es handelt sich aber nicht um Fehlentwicklungen, die mit
dem Lissabon-Vertrag verknüpft wären. Der neue Vertrag tut vielmehr 
einiges, sie zu korrigieren.
Eine große Verschiebung nationaler Souveränität nach Brüssel 
findet diesmal nicht statt. Ein paar Bereiche kommen hinzu, in denen 
die EU künftig tätig werden darf - Asylregeln, Gesundheitsförderung, 
Raumfahrt, Katastrophenschutz, Energiepolitik, Tourismus - das war's.
Dass damit der entscheidende Schritt zum eigenen Bundesstaat Europa 
getan sein soll, ist beim schlechtesten Willen nicht zu sehen.
Dafür werden die EU-Zuständigkeiten schärfer abgegrenzt und 
erstmals rückholbar gemacht. Vor allem aber wird die Frage der 
Zuständigkeit einer systematischen Kontrolle unterworfen. Dabei 
spielen die nationalen Parlamente eine Hauptrolle. Sie bekommen 
erhebliche Befugnisse, dem europäischen Regulator in den Arm zu 
fallen und ihn zu stoppen, wo immer er übers Ziel hinaus schießt.
Der Bundestag und die Volksvertretungen der anderen 
Mitgliedsstaaten werden also nicht von der politischen Gestaltung auf
europäischer Ebene weiter abgeschnitten, sondern im Gegenteil 
erstmals nennenswert in dieselbe einbezogen. Mit Recht hat 
Verfassungsgerichtspräsident Papier vielmehr von einer "Stärkung des 
demokratischen Elements" gesprochen.
Was natürlich nicht heißt, dass Europa eine bürgernahe 
Veranstaltung wäre. Das Gegenteil ist leider der Fall. Aber dem Übel 
ausgerechnet durch die Verhinderung eines Vertrages beikommen zu 
wollen, der es immerhin lindert, ist so präzise wie Freddie Frinton 
bei seinen Bemühungen ums Rotweinglas: voll daneben.

Pressekontakt:

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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