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WAZ: Streit um Vertriebenen-Stiftung - Rückzug als Zeichen des Protests - Leitartikel von Angela Gareis

Essen (ots)

Ein Stuhl soll vorläufig unbesetzt bleiben als
sichtbares Zeichen des Protests, der den Verzicht von Erika Steinbach
auf einen Platz im Rat der Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung"
begleitet. Ein leerer Stuhl also könnte zu einer Art Mahnmal für die 
Unversöhnlichkeit zwischen der Präsidentin des Bundes der 
Vertriebenen und Polen werden.
Der Konflikt, der eher beiseite als beigelegt wurde, hat so viel 
irrationale Facetten und innenpolitische Implikationen, dass jede 
Beruhigung als Fortschritt zu bewerten ist. Auf die von ihnen so 
genannte "blonde Bestie" Steinbach konzentrieren vor allem 
konservative Polen ihre Angst, die Deutschen könnten ihre Verbrechen 
im Zweiten Weltkrieg relativieren wollen, indem sie ihre Opfer durch 
die Vertreibungen hervorhöben. Der polnische Ministerpräsident Donald
Tusk sieht sich offenbar außer Stande, zwischen den konservativen und
liberalen Kräften in seinem Land zu vermitteln.
Auch in Deutschland ist Steinbach umstritten, nicht so brutal wie
in Polen, aber doch in einer Weise, die der Christdemokratin nicht 
gerecht wird. Dass tagelang kein Politiker sie gegen Wladyslaw 
Bartoszewskis Vergleich mit dem Holocaust-Leugner Richard Williamson 
verteidigte, spricht für sich. Ralph Giordano, ein Verfolgter der 
Nazis, nahm Steinbach in Schutz und warnte davor, sie eine 
Revanchistin zu nennen. Wenn nun Christdemokraten Kritik an 
Sozialdemokraten üben, weil sie Steinbach zum Rückzug gedrängt haben,
dann geht nicht alles mit ehrlichen Dingen zu.
Im Grunde hat die SPD Angela Merkel dabei geholfen, die 
Auseinandersetzung mit Polen zu entschärfen. Warschau hatte die 
Personalie Steinbach zum Gradmesser für die Versöhnung zwischen Polen
und Deutschland erhoben. Die Kanzlerin hätte sich dem Druck ohnehin 
gebeugt. Steinbachs Entscheidung wohnt eine gewisse Tragik inne, weil
die Stiftung ihr Projekt ist und nur Wirklichkeit werden kann, wenn 
sie es mindestens vorläufig für sich aufgibt.
Der leere Stuhl im Stiftungsrat ist möglicherweise ein 
angemessener Protest, denn der Vertriebenen-Präsidentin ist Unrecht 
widerfahren. Sie war es, die im Bund der Vertriebenen mit 
verbliebenen revanchistischen Gedanken aufräumte und Forderungen an 
Polen Einhalt gebot. Gerade vor diesem Hintergrund hat Steinbach mit 
ihrem Rückzug eine anerkennenswerte Haltung gezeigt. Ihre dem 
Verzicht nachgeschobene Äußerung, Polen verspiele seine Reputation, 
muss man mit dem Blick auf die persönliche Tragweite akzeptieren.

Pressekontakt:

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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