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WAZ: SPD-Chef greift Kanzlerin an - Müntefering im Wirtshaus. Leitartikel von Angela Gareis

Essen (ots)

Vor kurzem hat der Sozialdemokrat Peer Steinbrück
die Koalitionsparteien aufgefordert, keine Wirtshausschlägerei 
anzufangen. Zum Wesen solcher Schlägereien gehört es, dass am Ende 
keiner unverbeult davonkommt, weshalb die Sache sich im Prinzip für 
niemanden lohnt.
In Franz Müntefering aber wächst die Rauflust, seit Angela Merkel
in ihrer Fraktion gegen die Reform der Arbeitsvermittlung und ihre 
bis dahin vertretene Überzeugung gestimmt hat. Interview um Interview
greift er die Kanzlerin an und wünscht sich Gerhard Schröder als 
Kanzler zurück. Die Frage, warum er das tut, ist leicht zu 
beantworten. Es passiert nichts. Die SPD verharrt in schöner 
Geschlossenheit im Umfragetief, obwohl die Union sich ähnlich 
unordentlich präsentiert wie früher die SPD.
Allerdings haben mehr als drei Jahre Große Koalition eine 
Erkenntnis hervorgebracht. Weder Union noch SPD haben zu irgendeinem 
Zeitpunkt in Umfragen vom schlechten Erscheinungsbild des 
Koalitionspartners profitiert. Dieses Phänomen hat die Union lange 
verunsichert. Zwischen Beginn der Großen Koalition und dem letzten 
Wechsel im Vorsitz hatte die SPD derart viele Probleme, dass 
Unionspolitiker praktisch täglich mit explodierenden Umfragewerten 
rechneten. Vergebens. Die SPD baute den Abstand nur phasenweise nach 
unten aus.
Umgekehrt hat die SPD vom Streit in der Union nicht nur nichts, 
sondern sogar überhaupt nichts. Deshalb will der Vorsitzende die 
öffentliche Aufmerksamkeit nachgerade gewaltsam auf den Zustand des 
Koalitionspartners lenken, womit er aus mehreren Gründen schlecht 
beraten ist. Erstens benötigen viele Menschen in dieser Krise keine 
Wirtshausschlägerei. Zweitens benötigen sie keine versehrten 
Politiker. Drittens glauben auch viele Sozialdemokraten, keinen 
Kanzler namens Schröder zu benötigen.
Die Menschen, die mit Merkel zufrieden sind, schätzen deren 
moderierende Art und den Umstand, dass sie im politischen Wirtshaus 
erst gar nicht auftaucht. Diese Menschen wird Müntefering kaum 
gewinnen können, indem er mit einem Stuhl herumfuchtelt oder daran 
erinnert, dass Schröder früher eher einen Tisch umgeschmissen hätte 
als seine feste Meinung zu beugen.
Und schließlich überlegt man auch, weshalb Müntefering sich in 
der Krise nach einem Kanzler Schröder zurücksehnt, obwohl er doch 
einen Kanzlerkandidaten hat. Warum sagt der Vorsitzende nicht, er 
wünsche sich, Steinmeier wäre schon Kanzler?

Pressekontakt:

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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