Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Barack Obama in Europa - Der Ex-Sozialarbeiter kann begeistern - Leitartikel von Angela Gareis
Essen (ots)
Als Barack Obama in seine Air Force One stieg und wegflog, war es ein wenig so, als habe jemand in Europa das Licht ausgemacht und gesagt: Die Party ist vorbei. Selten entfalten Treffen der Mächtigen so viel sympathischen Glanz in der vergangenen Woche. Bei aller Skepsis gegenüber Lichtgestalten kommt man kaum umhin, Obama die Erfindung einer neuen charmanten Ausstrahlung von Macht zuzusprechen. Besonders geübte Skeptiker werden Obama unterstellen, mit einem gehörigen Maß an Naivität die Welt verbessern zu wollen. Und sie werden penibel die Differenz zwischen Wollen und Wirken berechnen. Was also hat Obama in Europa bewegt?
Verlässlich weiß man, dass die Queen jetzt einen iPod besitzt, weil der US-Präsident ihr einen geschenkt hat. Konsequenzen aus dieser Tatsache zu ziehen, das liegt aber allein bei der Queen. Sie kann den iPod benutzen oder weglegen. Ähnlich verhält es sich mit allen anderen denkbaren Konsequenzen. Obama kann die Welt nicht verändern, und in Wahrheit versucht er es auch nicht. Er ermutigt nur viele Menschen, sich selbst zu verändern. Dabei benennt er ausschließlich die großen Ziele und erzeugt Kontraste, die manchen Politiker in Deutschland schmerzen: Obama wünscht sich die atomwaffenfreie Welt, während die Koalition über die Abwrackprämie streitet.
Der Vergleich ist gemein, weil auch eine Abwrackprämie geregelt werden muss. Aber deutsche Politiker ahnen schon seit Obamas Wahlkampf, dass mit kleinteiliger Politik keine Begeisterung zu entfachen ist, schon gar nicht unter jüngeren Menschen. Diese jubeln, wenn der Präsident Sätze formuliert wie: "Wenn ihr in eurem Leben immer nur an euch selbst denkt, ans Geld und an die Karriere, dann wird das Leben irgendwann nur langweilig." Oder: "Engagiert euch, bringt euch ein, in eurer Gemeinde, bei den Ärzten ohne Grenzen oder anderswo." Dann klingt Obama wie der Sozialarbeiter, der er früher war.
Lässt man Obamas Charisma beiseite, bleibt die Begeisterungsfähigkeit seines Publikums. Gemeinsinn ist in der Republik weit mehr verbreitet als viele vermuten, was sich in der vorbildlichen Spendenbereitschaft der Deutschen spiegelt. Bloß sind die meisten Politiker nicht imstande, ein Gemeinschaftsgefühl über ihre kleiner werdenden Parteien hinaus anzusprechen und zu festigen. Einen Versuch aber, das könnte man von Obama lernen, wäre es vielleicht wert.
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