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WAZ: Großbritannien im Spesensumpf - Alle Vorurteile bestätigt - Leitartikel von Jasmin Fischer

Essen (ots)

Kein Tag ohne Putschversuche gegen den
Regierungschef, kein Tag ohne neue Skandale, bei denen Politiker sich
auf Kosten der Steuerzahler die Taschen voll stopfen - dies ist nicht
Alltag in fernen Entwicklungsländern, sondern in Großbritannien, der 
"Mutter aller Demokratien". Sie steckt heute, zu Beginn der 
Europawahlen, in der tiefsten Krise ihrer Geschichte. Doch wie konnte
es überhaupt so weit kommen?
Hauptproblem ist eine Regierungspartei, die manisch-depressiv ihr
Führungspersonal zerfleischt und sich gleich mit. Zwei Lager schlagen
in der Labour-Brust: Alte Blair-Anhänger, die es bis heute nicht 
verwunden haben, dass Gordon Brown ohne persönliches Mandat das Amt 
seines Vorgängers übernommen hat. Es war Tony Blair, der die Wahl 
gewonnen hatte und dann über den Irakkrieg stolperte. Brown rutschte 
auf seinen Stuhl - ganz ohne Neuwahl.
Er galt als Labour-Heiland, der Wandel und Neuanfang versprach, 
nachdem die Partei Blairs "Bling bling" - seine schwindende Erdung, 
die politische Eitelkeit - satt hatte. Browns Nüchternheit, die nun 
so verspottet wird, galt vor zwei Jahren als Erlösung. Heute hingegen
hofft Labour wieder auf einen Charismatiker.
Dabei ist nicht allein der unpopuläre Brown das Problem; den 
jüngsten Absturz in Umfragen müssen sich Abgeordnete selber 
zuschreiben, die alle Vorurteile mit ihrer Raffgier bestätigen. Das 
Ringen der Blair-Anhänger gegen das "Team Brown" - und es sind vor 
allem Loyalisten des Ex-Premiers, die den Schotten sabotieren - lähmt
das Land, und das ist für die Briten das Schlimmste an dieser Krise. 
Natürlich zittern auch die Arbeiter bei der Opel-Schwester Vauxhall 
um ihre Jobs, doch kaum ein Politiker hat bei den Existenzängsten und
Dolchmorden von Westminster noch Zeit, sich um ihr Schicksal zu 
kümmern.
So wird die heutige Europawahl in Großbritannien, so ungerecht 
das ist, vor allem ein wütendes Votum zum Versagen der eigenen 
Politiker werden. Brown mag darüber stürzen. Tragisch wäre das, weil 
er aus den falschen Gründen und sicher nicht sanft aus dem Amt gejagt
wird. Und Labour, aus deren Reihen der Königsmörder kommen wird, 
sabotiert sich damit selbst: Auch ohne Brown hätten sie gegen die 
Tories kaum eine Chance. Dem Land aber könnte die Kamikaze-Aktion 
nützen: Mitten in der tiefsten Rezession braucht Großbritannien eine 
handlungsfähige Regierung, egal, welche Partei sie stellt.

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-6528
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