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WAZ: Acht Wochen vor der Wahl - Die große Langeweile. Leitartikel von Frank Stenglein

Essen (ots)

Angela Merkel freut sich schon auf erholsame Tage in
Südtirol. Grund dazu hat sie. Selten sah ein Kanzler acht Wochen vor 
einer Bundestagswahl politisch so ruhigen Ferien entgegen. Gerade vor
dem Hintergrund eines eigentlich schwierigen Fünf-Parteien-Parlaments
könnte die Ausgangslage günstiger nicht sein. So gut wie alles, was 
im Wahlkampf gerne Probleme macht, kann Merkel gelassen betrachten.
Als da wären: 1. Die eigene Partei ist stillgelegt bis zur 
Langeweile. Alles schaut auf die Chefin, auch die einst so renitenten
Ministerpräsidenten. 2. Der Gegenkandidat: Merkel führt in der 
persönlichen Beliebtheit mit 60 zu 25 Prozent - das sagt alles. 
Obwohl er überparteilich geachtet ist, sehen die meisten Wähler 
keinen Grund, Merkel gegen Steinmeier auszutauschen. 3. Die denkbaren
Koalitionspartner würden sich allesamt nicht verweigern. Ob 
Schwarz-Gelb, Schwarz-Rot oder sogar Schwarz-Grün: Merkel hat viele 
Optionen und bliebe selbst immer oben - für sie ein Traum. 
Schließlich 4. Von Wechselstimmung ist auch inhaltlich nichts zu 
spüren, trotz einer längst nicht ausgestandenen Finanzkrise.
Wen wundert's da, dass das politische Leben so müde dahindümpelt.
Sicher, die Union kann gar kein Interesse an einem echten Wahlkampf 
haben. Mit einer präsidialen Kanzlerin, die sich aller Polemik 
entzieht und scharfkantige Themen umschifft, lässt sich am meisten 
erreichen. Die SPD hingegen müsste zubeißen, sucht verzweifelt nach 
guten Themen, ist aber gezwungen, die kostbare öffentliche 
Aufmerksamkeit mit Dienstwagen-Mätzchen zu teilen. Und Steinmeiers 
Kompetenzteam? Um es mit Claudia Roth von den Grünen zu sagen: "Das 
haut mich echt nicht vom Hocker."
Roth hat nicht immer Recht, aber manchmal halt schon. Wenn Andrea
Nahles gestern eine "Wahnsinnsaufholjagd" ankündigt, klingt das wie 
schrilles Pfeifen im dunklen Wald. Im besten Fall wirkt das 
Kompetenzteam wie der Kern einer SPD im Neuaufbau - nach einer 
verlorenen Wahl. Die Mischung aus Routiniers und unbekannten 
Neulingen setzt wenig Phantasie frei. Man merkt bei solchen 
Gelegenheiten, dass der SPD eine Generation politischer Talente 
fehlt, die es zu den Grünen zog.
Einer macht immerhin neugierig: Der frühere Bankchef, 
Multimillionär und dennoch treue Sozialdemokrat Harald Christ könnte 
so etwas wie Steinmeiers Guttenberg werden. Nötig wär's. Die 
Wirtschaftskompetenz, die Wahlen entscheidet, vermisst man bei der 
SPD schmerzlich.

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-6528
zentralredaktion@waz.de

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