Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Lehman-Pleite - Es war kein verlorenes Jahr - Leitartikel von Thomas Wels
Essen (ots)
Vor einem Jahr genau war es, als die US-Regierung der fatalen Fehleinschätzung erlegen ist, es werde schon nicht so schlimm, wenn man die viertgrößte Investmentbank pleite gehen lässt. An der ökonomischen Erschütterung, die der Lehman-Zusammenbruch ausgelöst hat, wird die Welt wohl noch vier Jahre zu tragen haben - wenn's gut läuft. So lange dauert es, bis die Industrieländer wieder auf das Wohlstandsniveau gekrabbelt sind, auf dem sie vor diesem Erdrutsch standen. Die Wunden in den Entwicklungsländern heilen langsamer.
Finanz-Alchimisten haben mit einer Mischung aus Gier, Verantwortungslosigkeit und Unwissenheit die Katastrophe in Gang gesetzt. Staatliche Rettungstrupps mussten Hunderte Milliarden Euro und Dollar ins Fundament der bröselnden Banken pumpen. Die enorme Verschuldung belastet noch künftige Generationen.
Es gibt aber auch gute Nachrichten. Eine ist: Die internationale Gemeinschaft hat glänzend funktioniert in der Bekämpfung der Krise. Regierungen und Notenbanken haben alle eines Besseren belehrt, die Vergleiche zur Weltwirtschaftskrise 1931 zogen. Anders als damals war man sich nicht spinnefeind, sondern der gemeinsamen Verantwortung bewusst. Nicht Grenzen wurden hoch- und Geld abgezogen wie 1931, im Gegenteil: Die Welt schloss sich im Kampf gegen den Finanz-Tsunami zusammen. Schon das allein müsste alle Populisten, die die Globalisierung für jedes und alles verantwortlich machen, erstummen lassen. Gut auch, dass man nach dem Kapitalismus-Schock in England und den USA nach der Rolle des Staates in der Marktwirtschaft fragt. Das Jahr nach Leh-man war kein verlorenes Jahr.
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