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WAZ: Obama stoppt Raketenschild - Eine kluge Entscheidung - Leitartikel von Joachim Rogge

Essen (ots)

Obamas Entscheidung, das seit Jahren umstrittene
Raketen-Abwehrsystem in Osteuropa zu beerdigen, ist ein kluger 
Schachzug. Washingtons Entscheidung baut bestehende Spannungen im 
amerikanisch-russischen Verhältnis ab, verhindert einen neuen 
Rüstungswettlauf und macht den Weg frei für künftige neue, ernsthafte
Abrüstungsverhandlungen. Sie bewahrt aber auch das westliche 
Verteidigungsbündnis vor einer neuen Zerreißprobe.
Die Erleichterung in der Nato war daher auch gestern mit Händen 
zu greifen. Nach den Alleingängen der Bush-Regierung, die auch 
Amerikas Partner mehr als einmal vor den Kopf stießen, setzt Obama 
sein Versprechen um, Kritik der Verbündeten, aber auch Moskaus Ängste
ernst zu nehmen. In der Tat hätte der US-Raketenschild dazu geführt, 
Russland nach der Ost-Erweiterung der Nato noch ein gutes Stück 
weiter einzukreisen - eine Strategie, der Moskau nicht tatenlos 
zugesehen hätte. Entsprechende scharfe Drohungen aus dem Kreml gab es
in der Vergangenheit schon zuhauf. An einem erneuten globalen 
Rüstungswettlauf nach dem formellen Ende des Kalten Krieges aber kann
niemand ein Interesse haben. Washington braucht Russland überdies, um
die Krisenherde dieser Welt, allen voran Iran, einzudämmen. Die USA 
wollen Russland einbinden, um den Druck auf die Teheraner Bombenbauer
zu erhöhen.
Mit seiner Entscheidung hat Obama rechtzeitig vor der 
UN-Vollversammlung in der nächsten Woche einen gewichtigen 
Stolperstein im Verhältnis zu Moskau aus dem Weg geräumt. Dass er 
damit vor allem Polen vor den Kopf stößt, nimmt der US-Präsident 
dabei notgedrungen in Kauf. Dort war das Raketen-Abwehrsystem stets 
als Symbol amerikanischen Engagements verstanden worden, das Leid 
geprüfte Land vor russischen Machtansprüchen zu schützen. Obamas 
Vorgänger Bush hatte solche Illusionen genährt und sich dafür vom 
"jungen Europa" im Osten mächtig feiern lassen. Doch Obama konnte, 
bei allem Verständnis für Polens tragische Geschichte, kein Interesse
daran haben, sich durch die polnischen anti-russischen Reflexe in 
eine tiefe Konfrontation mit Russland treiben zu lassen.
Das zeugt von Obamas realpolitischer Sicht. Einige Trostpflaster 
als Entschädigung sollen nun die polnischen Schmerzen lindern. Der 
Vertrauensverlust in amerikanische Versprechen dürfte in Warschau 
freilich auf lange Sicht gewaltig sein. Im Rest Europas überwiegt 
hingegen die Erleichterung.

Pressekontakt:

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-6528
zentralredaktion@waz.de

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