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WAZ: Nein zur Ampel - Liberale verhelfen Merkel zur Macht - Leitartikel von Ulrich Reitz

Essen (ots)

Angela lacht, Frank-Walter weint. Für die Kanzlerin
ist es ein Triumph, ihren Wunsch-Koalitionspartner ganz auf ihre 
Seite gezogen zu haben, für den Kanzlerkandidaten ist es eine 
Niederlage. Steinmeier hat seit gestern keine Perspektive mehr, nach 
Willy Brandt und Helmut Schmidt und Gerhard Schröder der vierte 
sozialdemokratische Bundeskanzler zu werden. "Selten zuvor", schreibt
der Spiegel heute, "litt eine Kanzlerkandidatur so sehr unter dem 
Makel der Aussichtslosigkeit".
Man muss nicht, aber man kann der FDP glauben. Schon 2005 hätte 
Guido Westerwelle Vizekanzler in einer Ampelkoalition aus SPD, Grünen
und Liberalen werden können. Weshalb sollte er es diesmal anders 
halten, zumal die Liberalen profitierten von Westerwelles Kurs: Sie 
regieren fünf Flächenländer mit. Glauben kann man Westerwelle auch, 
weil es keinen FDP-Rivalen gibt, der aus der Machtfrage eine 
Chef-Frage machen könnte.
Sechs Tage vor der Wahl haben sich die Fronten geklärt: Große 
Koalition oder Schwarz-Gelb. In beiden Fällen bliebe die Kanzlerin 
dieselbe: Angela Merkel. Darum kann sie mit der Absage der Grünen an 
eine Jamaika-Koalition gut leben. Viele Sozialdemokraten würden es 
nicht als Katastrophe ansehen, noch einmal in der Funktion des 
Juniorpartners am Kabinettstisch zu sitzen. Im Gegenteil: Der von 
Helmut Schmidt als Gegenmacht zu den Parteilinken gegründete 
Seeheimer Kreis würde sich bestätigt fühlen. Dessen Kalkül hat erst 
jüngst Schmidts Nach-Nach-Nach-Nach-Nachfolger als Finanzminister, 
Peer Steinbrück, öffentlich gemacht, sicher nicht unbedacht. Die 
Große Koalition als Chance, die linken Sozialdemokraten zu zähmen und
einen fürsorgestaatlichen Überbietungswettkampf mit der Linkspartei 
zu vermeiden. Die Folge aber könnte sein: Die Sozialdemokraten 
blieben staatstragend und unzufrieden mit sich selbst, die 
Linkspartei würde wachsen. Käme Schwarz-Gelb, wäre es umgekehrt: Die 
Sozialdemokraten müssten nicht mehr staatstragend sein, sie könnten 
sich wieder idealistisch definieren - und wachsen zu Lasten der 
Linkspartei.
Und sonst? Die Möglichkeit, dass Merkel eine zweite Kanzlerschaft
zufällt, ist fast bis ins Unausweichliche gewachsen. Und damit die 
Gelegenheit, überhaupt Geschichte zu schreiben, für die ein jeder 
Regierungschef mindestens zwei Wahlperioden benötigt. Jenseits dessen
kann man durchaus bedauern, dass weder Grüne noch Liberale, die sich 
doch als freiheitlich verstehen, sich in Koalitionsdingen so wenig 
Freiheit gönnen.

Pressekontakt:

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-6528
zentralredaktion@waz.de

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