Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Guttenbergs Korrektur - Entwaffnende Offenheit - Leitartikel von Miguel Sanches
Essen (ots)
Das war souverän. Karl-Theodor zu Guttenberg hat sich korrigiert. Der Verteidigungsminister hat den Angriff auf zwei Lastwagen nahe Kundus als unangemessen bezeichnet, ihn bedauert und den Befehl von Oberst Klein mit der "kriegsähnlichen" Situation in Afghanistan entschuldigt. Da stimmen Haltung und Sprache. Der CSU-Minister schlägt sich ganz tapfer.
Fehler können jedem passieren. Dann hilft nur Offenheit. Sie kann entwaffnend sein. Der Opposition nimmt Guttenberg den Wind aus den Segeln. Allerdings muss ein zweiter Schritt folgen: Unterstützung für die unschuldigen zivilen Opfer.
Guttenbergs 180-Grad-Drehung drückt in den Hintergrund, dass es in diesen Tagen um mehr als um einen isolierten Angriff geht. Die gesamte Afghanistan-Politik muss neu justiert werden. Das hat US-Präsident Barack Obama vorexerziert. Das Mandat für die Mission in Afghanistan, die der Bundestag gestern verlängerte, hat zwei Haltbarkeitsdaten, ein offizielles und ein inoffizielles. Offiziell bleibt die Truppe bis zum 13. Dezember 2010 am Hindukusch. Inoffiziell stellt sich die Frage eines neuen Einsatzes früher: nach dem 28. Januar. Dann findet eine Afghanistan-Konferenz statt. Sie hat einen weitgehenden Ansatz. Aber nach der Rede Obamas kann sie leicht zur Truppensteller-Konferenz umgedichtet werden.
Es ist klar, dass Obamas Fahnenappell nicht allein den 30 000 Soldaten gilt, die er entsenden will, sondern ebenso den Partnern, auch den Deutschen. Sie sollen und müssen mehr tun. Die Frage ist nicht ob, sondern wie, militärisch oder zivil, mit Soldaten oder mit Aufbauhelfern und Beratern.
Obama sucht 2010 eine Entscheidung im Krieg und folgt wie sein Vorgänger George W. Bush der Logik der Militärs. Der politische Unterschied ist indes nicht zu verachten. Stil und Ansprache sind sensibler. Dass die Amerikaner schonend mit Kanzlerin Angela Merkel umgehen, heißt aber nicht, dass sie keine Erwartungen hätten. Die Wunschzahl von weiteren 2000 Soldaten ist keine mediale Erfindung. Sie beruht nach US-Angaben auf Berechnungen aus Berlin. Das heißt, dass die Regierung mit den USA Optionen durchspielt.
Bezeichnend ist, dass gestern weder Merkel noch Steinmeier im Bundestag ein Wort fallen ließen. Kanzlerin wie Oppositionschef wissen, dass sie keine Mehrheit im Volk für eine Aufstockung haben. Wann wäre ein klares Wort fällig, wenn nicht jetzt; wo sonst, wenn nicht im Bundestag?
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