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WAZ: Schäuble spart, Brüderle verteilt - Regierung streitet mit sich selbst - Leitartikel von Ulrich Reitz

Essen (ots)

Der Bundesfinanzminister will sparen, der
Bundeswirtschaftsminister will die Steuern senken. Weiß in dieser 
Bundesregierung eigentlich der eine noch, was der andere tut? Reden 
Minister im Bundeskabinett noch miteinander? Ist die Inhaberin der 
Richtlinienkompetenz noch im Kanzleramt oder schon in den Ferien? 
Dieser per Interview ausgetragene Konflikt zwischen Wolfgang Schäuble
und Rainer Brüderle ist ärgerlich. Man darf von einer Regierung ja 
wohl erwarten, dass sie grundsätzlich die Weichen in dieselbe 
Richtung stellt.
Aus Schäuble spricht der Konservative und der Europäer. 100 
Milliarden gibt der Staat allein im nächsten Jahr aus - über den 
Durst. Eine Zahl, an der jeder solide Mensch verzweifeln muss. Also 
sagt Schäuble: Sparen. Wie das geht, sagt er (noch) nicht. Es gibt 
nur zwei Wege, einen Etat zu sanieren: Entweder werden die Einnahmen 
erhöht, dann steigen die Steuern, oder die Ausgaben werden 
zurückgefahren, dann steigt der Schmerz der Leistungsempfänger. Was 
Schäuble darüber hinaus bewegt: Länder, die nicht sparen, gefährden 
den Euro.
Sparen ist ein Kraftakt, den nur eine starke Regierung schafft. 
Es drohen große Verteilungskämpfe. Soll die Mehrwertsteuer steigen? 
Wird die Pendlerpauschale abgeschafft, eine Auto-Maut eingeführt? 
Wird der Spitzensteuersatz erhöht? Sinken die Hartz-IV-Sätze?
Rainer Brüderle mag an Sparen nicht denken. Der Liberale ist ein 
grundfröhlicher Mensch, er beansprucht die Kompetenz für die gute 
Nachricht. Die Steuern sollen sinken, weil der Bürger sein eigenes 
Geld besser verwalten kann als der Staat. Brüderle hat zwei 
Botschaften: Stufentarif einführen, Bürger entlasten. Ein Stufentarif
allein entlastet noch nicht, die Stufen müssten schon unter den 
Sätzen von heute liegen. Ein Stufentarif schafft zwar Klarheit, aber 
noch keine Gerechtigkeit.
In puncto gefühlter Gerechtigkeit sind selbst sinkende Steuern 
nicht unproblematisch: Wer mehr verdient, wird stärker entlastet, was
freilich der Progression geschuldet ist, wonach, wer mehr zahlt, auch
höher belastet wird. Aber man kennt den drohenden 
gesellschaftspolitischen Streit dahinter.
Eine Regierung, die in Grundfragen streitet, entwertet sich 
selbst. Das erklärt vielleicht, weshalb immer mehr Menschen schlecht 
über Schwarz-Gelb und wohlwollend über die frühere Große Koalition 
denken. Bald wird die Regierung nicht mehr sagen können, sie sei nur 
schlecht gestartet.

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-6528
zentralredaktion@waz.de

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