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WAZ: Verspielt die FDP die NRW-Koalition? Anmerkungen zu Westerwelle - Leitartikel von Ulrich Reitz

Essen (ots)

In der Politik geht es manchmal sehr schnell. Noch
vor drei Monaten war die FDP ein strahlender Sieger, heute ist sie 
ein Problemfall. Gut möglich, dass die Liberalen gerade dabei sind, 
sich nicht nur in Berlin zu blamieren, sondern auch die Wiederwahl 
der schwarz-gelben Koalition in Düsseldorf zu verspielen. Für die 
Landes-Liberalen ist die Entwicklung tragisch: Sie regieren 
zuverlässig und prägten die Regierung Rüttgers. Pinkwart und Co. 
könnten schuldlos Opfer werden.
Nun sind die größten Tragödien jene, die man selbst verschuldet. Und 
so trägt die Verantwortung für den Ansehensverlust der FDP keineswegs
die Opposition. Schuld ist auch nicht die Union, selbst wenn der 
Vizekanzler und Parteivorsitzende dies gern so sieht. Das Malheur 
trägt vielmehr seinen Namen: Guido Westerwelle hat die Liberalen 
beinahe im Alleingang zu großen Erfolgen geführt, nun führt er sie, 
wie es aussieht, gleichfalls im Solo nach unten. Genau in diesem 
Zusammenhang muss man Pinkwarts Mahnung verstehen, die FDP habe nicht
nur ein einziges Gesicht. Es war eine saftige Schuldzuweisung.
Westerwelles Hartz-IV-Einlassungen sind für ihn blamabel. Nicht, dass
der Hinweis, den Sozialstaat nicht überzustrapazieren, nicht 
berechtigt wäre. Er wird aber auch von niemandem bestritten, nicht 
einmal vom SPD-Vorsitzenden. Ärgerlich ist etwas anderes: Ein 
Liberaler, der für sich das Bildungsbürgertum als Kundschaft 
reklamiert, darf sich für eine schnelle Pointe keinen historischen 
Fehler leisten. Den Untergang Roms der damaligen Unterschicht 
anzulasten, ist einfach nur peinlich. Sie wirft Westerwelle zurück 
auf sein jahrelanges Image des Luftigen und Effektverliebten - ein 
Schuss mithin ins eigene Knie. Ein Weiteres: Ein politischer Stratege
ist, wer es schafft, die Dinge vom Ende her zu denken. Das hat 
Westerwelle unterlassen. Er stellt Fragen, auf die er keine Antwort 
hat. So will niemand, auch nicht die FDP, die Sozialhilfe-Sätze 
senken. Die Umsetzung des Verfassungsgerichtsurteils macht den 
Sozialstaat also in jedem Fall teurer und die Liberalen wissen nicht,
wie sie dies verhindern könnten. Was soll der Budenzauber dann? Hat 
die FDP auch nur drei konkrete Rezepte gegen das Übel, das sie so 
lauthals beklagt? Und dann: Sozialpolitik ist eine komplizierte 
Angelegenheit, wer mit der großen Kanone unterwegs ist, trifft meist 
daneben. Die Lage am unteren Ende der Gesellschaft ist nicht für alle
Menschen gleich, wie eine OECD-Studie herausfand, über die wir 
gestern groß berichteten. Schließlich: Deutlich ist Westerwelles 
Rollenkonflikt geworden. Ein Außenminister unterlässt besser 
parteitaktisches Pöbeln.
Wenn es in Berlin so weitergeht, dürfen sich in Düsseldorf die Grünen
freuen. Und die SPD, der eine Chance in den Schoß fällt.

Pressekontakt:

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-6528
zentralredaktion@waz.de

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