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WAZ: Menschen verlieren ihre Bindungen - Die Ungewissheit wächst. Leitartikel von Walter Bau

Essen (ots)

Man könnte es ja mit Humor nehmen, so wie der
unbekannte Autor dieses Aphorismus: "Mit Unsicherheit leben. Mit 
Sicherheit sterben." Doch vielen ist das Lachen vergangen. Zu sehr 
wird das Leben von immer mehr Menschen durch Unsicherheiten, 
Unwägbarkeiten und Bedrohungen geprägt. Dies wiegt umso schwerer, als
selbst Institutionen, die sich einst als Orte der Sicherheit 
auszeichneten, ihre Anker-Funktion verlieren.
Die christlichen Kirchen, die zu Ostern die Auferstehung Jesu von 
den Toten und damit das bedeutendste Fest des Christentums begehen, 
haben die Bindung zu weiten Teilen der Bevölkerung verloren. Durch 
die Missbrauchsskandale vor allem in der katholischen Kirche -  und 
durch den falschen Umgang der Amtskirche mit den Verfehlungen in den 
eigenen Reihen - verbreitert sich die Kluft weiter.
Auch die Berufswelt wandelt sich zum Ungewissen. Ein (fester) 
Arbeitsplatz bedeutete früher mit einiger Wahrscheinlichkeit ein 
gesichertes Auskommen. Heute, da Leiharbeit, Zeitarbeit und 
befristete Arbeitsverträge immer weiter verbreitet sind, bietet der 
Job kein Ruhekissen mehr. Das wiederum hat Auswirkungen aufs 
Privatleben. Wer kein halbwegs planbares Einkommen hat, überlegt es 
sich dreimal, ob er ein Haus baut, heiratet oder ein Kind haben will.
Gespartes? Wertpapiere? Börsenzockerei und Bankenkrise haben unser 
Finanzwesen eben erst an den Rand des Kollaps getrieben. Und wann 
kommt die nächste Krise?
Glaube, Beruf, Rücklagen, Familie - die traditionellen Anker im 
Alltag verschwinden oder geraten ins Schwimmen. Und auch der Staat, 
verschuldet wie nie zuvor, zieht sich aus seiner fürsorglichen Rolle 
zurück. Orientierung, Zuversicht, Vertrauen - allesamt Worte und 
Werte von gestern also?
Nein, wir sollten uns diese Werte nicht nehmen lassen. Wir sollten
stattdessen noch einen hinzufügen: Verantwortung. Wir sollten 
Verantwortung übernehmen für all jene, die -  siehe oben -  jeglichen
Halt verloren haben. Wir sollten uns kümmern und hinsehen, statt 
gleichgültig wegzuschauen. Wir sollten uns engagieren.
Zehntausende Menschen in NRW tun dies bereits -  freiwillig, als 
Ehrenamtler in Nachbarschaft und Kollegenkreis, in Vereinen, 
Initiativen, kirchlichen Einrichtungen, in Parteien. Diese Chance, 
dem Leben mit einer ehrenamtlichen Tätigkeit einen neuen Inhalt zu 
geben, bietet sich jedem von uns. Ostern ist nicht die schlechteste 
Gelegenheit, damit zu beginnen.

Pressekontakt:

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-6528
zentralredaktion@waz.de

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