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WAZ: Neuwahlen, nein Danke! - Die Verantwortung der beiden Großen. Leitartikel von Ulrich Reitz

Essen (ots)

Tricksen, Täuschen, Bluffen: Wer dieses Handwerk nicht beherrscht, hat in der Politik nichts verloren. Schon gar nicht, wenn es gilt, eine schwierige Koalition zusammenzuzimmmern. Eine dieser Finten ist die Drohung mit einer Neuwahl.

Die SPD hantiert damit und hat ernsthafte Gründe dafür. Ihre Basis rebelliert heftig gegen eine Große Koalition mit der Union, fürchtet den weiteren Niedergang der Genossen wie in jenem Bündnis, das zuletzt in Berlin Merkel zu Lasten von Steinmeier und dem Rest der SPD führte. Nun ist es aber kein Naturgesetz, dass Große Koalitionen unter Führung der Union der SPD schaden. Die von 1966 unter Kiesinger ebnete sogar der sozialliberalen Koalition unter Brandt 1969 den Weg. Und dann kann die Antwort auf diese Besorgnisse der Basis, der es ohnehin niemand recht machen kann, nicht die Flucht ins Ungewisse sein, sondern: Beherzte Führung.

Schließlich gibt es auch noch Spielregeln. Neuwahlen müssten im Parlament mit absoluter Mehrheit beschlossen werden. Ohne Mehrheit keine Neuwahl. Aber wer sollte seine Hand dafür heben: Die Union, die wegen des sich abzeichnenden Streich-Konzerts in Berlin in Nordrhein-Westfalen einen weiteren Absturz fürchten müsste? Die Linke, die nach ihrer Blamage in der Rot-Rot-Grünen Sondierung die Fünf-Prozent-Hürde ernsthaft fürchten muss? Die FDP, die bei drei Prozent gemessen wird, weil sie gegenwärtig nicht einen Grund erahnen lässt, sie zu wählen? Oder die Grünen, die womöglich nicht noch einmal so wunderbar stark werden wie sie es jüngst geworden sind?

Vom Grünen-Chef Özdemir stammt der staatstragende Hinweis, man könne nicht so lange wählen, bis einem das Ergebnis passt. Nach dem ersten Sondierungsgespräch gestern Nachmittag sah es ganz so aus, als ob SPD und Union dieser Verantwortung gerecht werden wollten.

Die SPD kann viel erreichen. Die Union, Pragmatiker Rüttgers zuallererst, wird ihr im eigenen Interesse die Wünsche von den Augen ablesen. Und tatsächlich gibt es nichts, was nicht lösbar wäre, das gilt auch für die Bildungspolitik, zumal die Union hier in den vergangenen fünf Jahren vielleicht ihre größten Fehler begangen hat.

In den nächsten Tagen wird man es noch raunen hören. Minderheitsregierung, doch Ampel, doch Jamaika, doch Neuwahlen, doch noch ein Überläufer, usw. Nach Lage der Dinge gehört das alles jedoch in die Abteilung Tricksen, Täuschen, Bluffen. Seit gestern steht der Zug auf den Schienen.

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-6528
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