All Stories
Follow
Subscribe to Westdeutsche Allgemeine Zeitung

Westdeutsche Allgemeine Zeitung

WAZ: Bildungsmisere in Schulen und Kitas - Die eigentliche Systemfrage. Leitartikel von Stefan Schulte

Essen (ots)

Herzlichen Glückwunsch, Deutschland. Während gerade die zweite verlorene Generation von Migrantenkindern unsere Hauptschulen verlässt und wenige Jahre, bevor der Fachkräftemangel unsere Wirtschaft zu lähmen droht, haben wir erkannt, dass es nicht so gut ist, zehntausende Kinder durchrasseln zu lassen. Immerhin. Doch was sind die Antworten? Wir diskutieren zum xten Mal über unser Schulsystem, über zwei Jahre mehr oder weniger gemeinsames Lernen. Und dann wird alles gut?

Die Politik stellt gern die Systemfrage, sie kostet nichts. Ganz im Gegenteil zu dem, was eigentlich vonnöten wäre: kleinere Klassen, besser ausgebildete Lehrer, vor allem aber - eine echte Vorschule. Wer sagt denn, dass längeres gemeinsames Lernen in den Klassen eins bis sechs stattfinden muss? Wäre der Chancengleichheit für Kinder aus bildungsfernen Schichten nicht eher gedient, wenn man sie zwei Jahre gezielt auf die Grundschule vorbereitet?

Dafür spricht vieles: Ein Kind, dem nie vorgelesen wurde und das seine ersten Stifte mit der Schultüte bekommt, hinkt vom ersten Tag an hinterher. Wenn seine Eltern nicht in der Lage oder willens sind, Nachhilfe zu bezahlen, werden sie den Anschluss kaum schaffen. Nicht nach vier und nicht nach sechs Jahren. Wenn es die Eltern nicht tun, muss ihnen die Erzieherin Alphabet und Zahlen beibringen - nach festem Lehrplan.

Dies ist die eigentliche Systemfrage, denn sie geht an die Fundamente der Bildungsmisere. Dass sich Grundschulen in Problembezirken schon heute als Reparaturbetriebe fühlen, müsste doch auch den letzten Politiker darauf bringen, dass eine echte Reform vor der Einschulung ansetzen muss. Darin sind sich Pädagogen ausnahmsweise sogar mal einig mit den Ökonomen. Etliche Studien belegen, dass Investitionen in Bildung sich umso mehr auszahlen, je früher sie ansetzen. Laut IW zahlen Kinder jeden Euro, der in frühkindliche Bildung gesteckt wird, später zurück - plus acht Prozent Zinsen. Investitionen ins Schulsystem bringen dem Staat dagegen nur drei Prozent Rendite.

Leider tut sich Politik mit Investitionen, die sich erst nach Jahrzehnten rentieren, schwer. Wer das Geld ausgibt, fällt durch neue Haushaltslöcher auf, die Früchte seiner Arbeit ernten seine Nachfolger. Eine verpflichtende Vorschule wäre in der Tat teuer: Die Kita müsste kostenfrei sein und bräuchte mehr, vor allem mehr examinierte Erzieherinnen. Und was rät die Familienministerin? Arbeitslose umschulen und in die Kitas schicken. Genauso gut könnte sie den Kindern auch einfach viel Glück wünschen.

Pressekontakt:

Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-6528
zentralredaktion@waz.de

Original content of: Westdeutsche Allgemeine Zeitung, transmitted by news aktuell

More stories: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
More stories: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
  • 21.07.2010 – 20:04

    WAZ: Verfassungsschutz - Die Linke überwachen. Kommentar von Wilhelm Klümper

    Essen (ots) - Bodo Ramelow darf weiterhin vom Verfassungsschutz überwacht werden. Das ist eine gute Entscheidung, wenngleich der Thüringer Linksfraktionschef zu denjenigen gehört, mit dem durchaus Staat zu machen ist. Aber Ramelow ist freiwillig Mitglied einer Partei geworden, in der Altkader der SED weiterhin leugnen, dass die DDR ein Unrechtsstaat war. Die ...

  • 21.07.2010 – 16:39

    WAZ: EU-Kommissar Oettinger verteidigt Kommissionsvorschlag zum Bergbau-Ende

    Essen (ots) - EU-Energiekommissar Günther Oettinger verteidigt den umstrittenen Vorschlag der EU-Kommission zum Ende der Steinkohleförderung bereits im Jahr 2014 "Für eine Verlängerung um mehr als vier Jahre war in der EU-Kommission keine Mehrheit zu haben", sagte Oettinger im Gespräch mit den Zeitungen der WAZ-Mediengruppe (Donnerstagausgabe). In Deutschland ...

  • 21.07.2010 – 16:16

    WAZ: Kohleausstieg 2014 - IGBCE-Chef Vassiliadis warnt vor Zerlegung von Evonik

    Essen (ots) - Die Äußerung von Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle, der den Vorschlag der EU-Kommission zu einem vorgezogenen Ende des Bergbaus im Jahr 2014 begrüßt hatte, stößt auf scharfe Kritik der IG BCE. Michael Vassiliadis, Chef der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie sagte den Zeitungen der WAZ-Mediengruppe (Donnerstagausgaben): "Ich kann ...