All Stories
Follow
Subscribe to Westdeutsche Allgemeine Zeitung

Westdeutsche Allgemeine Zeitung

WAZ: Eine Partei macht es sich leicht - Sarrazin und die SPD - Leitartikel von Ulrich Reitz

Essen (ots)

Wenn die SPD Thilo Sarrazin rauswirft und die Bundesbank auch, wird dann alles wieder gut? Findet die aufgewühlte Seele sozialdemokratischer Spitzenpolitiker (wie die Basis denkt, wissen wir ja nicht) dann wieder ihre Ruhe? Genauer: Jene Ruhe, die nahe dran ist am Nichtstun, gar an der Ignoranz? Erst jüngst hat die rot-grüne Landesregierung das Integrationsministerium abgeschafft. Warum wundert man sich dann jetzt, dass der Provokateur, Polemiker, Brunnenvergifter, Vereinfacher Sarrazin dann im Namen der SPD das freigeräumte Feld rechtspopulistisch besetzt? Nur sehr wenige Sozialdemokraten und Grüne beschäftigen sich ernsthaft mit den problematischen Folgen einer vom Wirtschaftswunderland gewollten Einwanderung. Mit der Unterdrückung von Frauen. Mit dem Phänomen der Heirats-Migration, wie dieser skandalöse Vorgang beschönigend genannt wird. Mit dem Bildungsrückstand von Schülern mit Migrationshintergrund. Mit deren höherer Kriminalität. Heinz Buschkowsky, Bürgermeister von Berlin-Neukölln, gehört dazu, ein Praktiker, kein Theoretiker wie Sarrazin. Aber zur Wahrheit gehört, dass solche wie Buschkowsky in der SPD Außenseiter sind. Der Grund dafür ist leider klar: innerparteiliche Tabupflege. Alice Schwarzer, nicht die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen, hat die Emanzipation von Frauen in islamisch geprägten Gemeinschaften auf die Tagesordnung gesetzt, demnächst wird wieder ein Buch von ihr erscheinen (wir werden berichten). Auch die Einführung von Sprach- und Integrationskursen ist keine sozialdemokratische Erfindung (wir zahlten lieber Rückkehr-Prämien), ebenso wenig wie die Ermittlung der Deutschkenntnisse bei Vierjährigen und deren anschließende Sprachförderung. Die SPD hat zwei Gründe, auf Sarrazin sauer zu sein. Aber sie redet nur über den einen, dass sich da jemand mit SPD-Parteibuch die rassismusverdächtige Genetisierung der Integrationsprobleme von Muslimen leistet. Über den anderen Grund, ihr schlechtes eigenes Gewissen, redet sie nicht. Auch beschäftigt sie sich gar nicht erst mit der Frage, weshalb sich viele Menschen, vermutlich auch viele Sozialdemokraten, für Sarrazins Thesen interessieren, wahrscheinlich nicht deshalb, weil sie sie rundweg ablehnen. Wer schreibt denn jetzt den Gegenentwurf zu Sarrazins Buch? Der, ohne zu beschönigen, das ursozialdemokratische Thema des gesellschaftlichen Aufstiegs behandelt, und wie dieser unter den offensichtlich erschwerten Bedingungen der Einwanderung organisiert werden kann? Ein Sozialdemokrat?

Pressekontakt:

Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-6528
zentralredaktion@waz.de

Original content of: Westdeutsche Allgemeine Zeitung, transmitted by news aktuell

More stories: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
More stories: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
  • 27.08.2010 – 18:07

    WAZ: Demonstrationen gegen Stuttgart 21 - Am falschen Ort - Kommentar von Dietmar Seher

    Essen (ots) - Stuttgarter werden eines Tages wohl vom Europaviertel in den Schlosspark spazieren können. Sie werden auch durch eine Fußgängerzone mit Lichtkuppeln laufen, unter denen hindurch die ICE-Züge rauschen. Das hässliche Schienenband, das heute die Landesmetropole teilt? Es war einmal. So kann man, anders als aktuell die Demonstranten, den Bau von ...

  • 27.08.2010 – 18:04

    WAZ: Gleiche Chancen an den Schulen - Kommentar von Theo Schumacher

    Essen (ots) - Den 158.460 i-Dötzen, die dem ersten Schultag entgegenfiebern, ist es egal, ob in Düsseldorf eine CDU-Frau oder eine Grüne als Schulministerin regiert. Das ist Politik. Sie freuen sich auf neue Freunde und hoffen gespannt auf freundliche Lehrer, von denen sie viel lernen können. Doch leider sind ihre Chancen schon beim Start sehr unterschiedlich. Was ...

  • 27.08.2010 – 17:59

    WAZ: NRW: Notfalls Stuttgart 21 stoppen

    Essen (ots) - Die geplanten Milliarden-Ausgaben für das umstrittene Bahnprojekt Stuttgart 21 stoßen auch in anderen Bundesländern auf Widerstand. Notfalls müsse Stuttgart 21 gestoppt werden, damit Geld für wichtigere andere Schienenprojekte in Nordrhein-Westfalen zur Verfügung steht, fordert der für Verkehrsfragen zuständige Staatssekretär im NRW-Wirtschaftsministerium, Horst Becker (Grüne). Becker sagte der ...