Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Freigekauft - Kommentar von Stefan Wette
Essen (ots)
Mit Kungelei unter den Mächtigen einer Stadt hat der ungewöhnliche Strafprozess gegen ein Ratsmitglied der Stadt Essen wenig zu tun. Dass der wegen Vergewaltigung einer Disco-Bekanntschaft angeklagte Sozialdemokrat jetzt auf Bewährung hoffen darf und sich die öffentliche Verlesung seiner Anklage ersparte, liegt wohl einzig und allein an seiner durch 50 000 Euro erkauften Verständigung mit dem mutmaßlichen Opfer des Sexualdeliktes. Dem Gericht sind dadurch die Hände gebunden. Das ist zu vermuten, denn eine Begründung gab die XVII. Essener Strafkammer nicht, warum sie erst an Gefängnis dachte und jetzt doch zu einer Bewährung bereit ist. Vermutlich hatte das Opfer, dessen Position im Strafprozess in den vergangenen zehn Jahren deutlich gestärkt wurde, signalisieren lassen, es werde sonst gar nicht aussagen. Ohne diese Aussage hätte das Gericht den Angeklagten aber freisprechen müssen. So bleibt der Eindruck, dass Täter, die über entsprechende finanzielle Mittel verfügen, sich quasi freikaufen können. Das ist nicht der Alltag bei Sexualdelikten. Und es widerspricht dem Grundsatz, dass alle Angeklagten vor Gericht gleich sind.
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