Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Norwegens Dschihadist. Kommentar von Ulrich Reitz
Essen (ots)
Neun Jahre lang hat Anders Breivik sein Attentat vorbereitet. Sein Denken hat er auf 1500 Seiten dokumentiert. Der "Spiegel", der diese Niederschrift ausgewertet hat, vergleicht ihn danach mit dem 9/11-Attentäter Atta. Folgt man dem, dann wäre Breiviks Ziel nicht gewesen, den Islam zu terrorisieren, sondern die moderne westliche Gesellschaft und ihre Werte zu ersetzen durch eine Art von Vormoderne, in der Herrscher sich noch auf einen göttlichen Auftrag berufen konnten, ein Fundamentalchristentum als Staatsreligion existierte und es eine klare Rangfolge der Geschlechter gab. Breivik war die Emanzipation zuwider, genauso wie die Würde jedes einzelnen Menschen, dessen Denk- und Meinungsfreiheit.
Breivik erscheint als neues Phänomen: Ein abendländischer Dschihadist, paradoxerweise einig mit Radikal-Islamisten in deren Ziel, die West-Zivilisation zu zerstören. Deshalb springen jene, die nach der geistigen Urheberschaft Breiviks fahnden und pfeilschnell bei Sarrazin landen (den Breivik nicht zitiert, im Gegensatz etwa zu Mark Twain!) bei Weitem zu kurz. Rechtspopulisten wie Hollands Wilders sind ein übles Volk. Aber Breivik als verlängerten Arm solcher Krawallbrüder anzusehen, kommt einer plumpen Verharmlosung gleich.
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