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WAZ: Europa legt sich in die Kurve - Leitartikel von Ulrich Reitz

Essen (ots)

Man kann aktuell die Euro-Krise am Fall Frankreichs erzählen. Staatschef Sarkozy lehnte bislang eine Schuldenbremse ab, wie sie Deutschland eingeführt hat. Eine Schuldenbremse verhindert, dass Politiker heute Geschenke machen, die die Kinder der Beschenkten morgen bezahlen müssen. Sarkozy empfand eine Schuldenbremse - zu Recht - als Beschränkung seiner Möglichkeiten (Wähler zu kaufen). Allerdings sind Schulden eines, vielleicht das größte Problem Europas. Deshalb wäre es vernünftig, alle europäischen Länder würden eine solche Schuldenbremse beschließen. Dann würden die Spekulanten an den Finanzmärkten verstehen: Die Europäer wollen den Euro, darum ist es ihnen mit dem Sparen ernst. Wenigstens Sarkozy ist nun doch für eine Schuldenbremse zu haben. Weshalb dieser Kurswechsel? Hat die deutsche Kanzlerin ihn überzeugt? Oder war es die Drohung der Rating-Agentur Standard & Poor's, Frankreichs Kreditwürdigkeit wegen zu hoher Schulden herabzustufen? Geschähe dies, könnte das nach Deutschland wichtigste Euro-Land mit dem Griechenland-Virus infiziert werden. Unangenehme Frage: Wenn eine (amerikanische) Rating-Agentur nun die französische Regierung zum Umdenken bringt, muss man das ablehnen, weil eine private Firma eine Regierung steuert, oder darf man es begrüßen, weil die Richtung stimmt? Die Euro-Krise bringt jedenfalls die Sünden der Vergangenheit wieder auf den Tisch. Vielleicht wird sich Frankreich demnächst auch noch von seiner traditionellen, aber teuren und wenig marktwirtschaftlichen Industriepolitik verabschieden müssen. Oder seinen Arbeitsmarkt flexibilisieren, so wie die Griechen einsehen mussten, dass die Aufblähung des öffentlichen Sektors das Land an den Rand der Pleite geführt hat. Und wäre es nicht ein wenig besserwisserisch, dann könnte man die Italiener dafür loben, Frauen künftig erst mit 65 Jahren in Rente gehen zu lassen, und ihnen erzählen, dass Deutschland schon bei der Rente mit 67 angekommen ist. Auch, dass Kapital in Italien nun mit 20 statt 12,5 Prozent besteuert wird, ist sinnvoll. Aber hierzulande zahlen Anleger 25 Prozent. In Italien geht also noch was. Fazit: Früher "lässige" Länder beginnen, zu sparen. Das spricht gegen Eurobonds, die den Spardruck mildern, indem sie aus deren Schulden unsere Schulden machen. Weil aber Politik stets Kompromiss ist, könnte es so laufen: Die Sünder büßen, dafür teilt Deutschland, als guter Europäer und aus Eigennutz, mit ihnen die Last.

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