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WAZ: Weshalb die SPD Merkel schont - Leitartikel von Ulrich Reitz

Essen (ots)

Die SPD hat beschlossen, Wahlkampf demnächst mit Themen zu machen. Einmal abgesehen davon, dass dies noch nie funktioniert hat, weil es gerade in einem durchs Fernsehen vermittelten Wettbewerb immer um die Spitzenfigur geht: Ein größeres Kompliment konnte die größte Opposition Angela Merkel nicht machen. Hinter der SPD-Entscheidung steht die Einschätzung, Merkel werde kaum angreifbar sein. Aber vielleicht stimmt das ja. Merkel ist nicht beliebt, dafür aber respektiert. Nun ruft diese bewegte Zeit mehr nach Respekt denn nach Liebe und mehr nach Rationalität als nach Leidenschaft und mehr nach ruhiger Überlegenheit als nach hektischer Aktion. Der Zeitgeist spielt Merkel in die Karten: Er passt zu ihrer Persönlichkeit. Merkels hohe Akzeptanz liegt auch an fehlenden Alternativen zu ihr. Der Bundespräsident jedenfalls scheidet in puncto Liebe wie Respekt aus. Weder die CSU noch die FDP vermögen Merkel etwas anzuhaben; deren Parteivorsitzende stehen vielmehr selbst unter Druck. Merkels größte Stärke ist selbst erzeugt. Es ist ihr Führungsstil: Sie produziert keine Verlierer (mehr). Es gibt damit niemanden von Gewicht, der Lust verspüren könnte, sich für irgendeine durch Merkel erlittene Demütigung zu rächen. Im Kabinett wird deshalb nicht abgestimmt. Jedes Kabinettsmitglied hat großen eigenen Spielraum, wenn es sein Metier beherrscht. Merkel verteilt auch keine Noten, auch keine guten, die ja immer nur schlechte für die anderen sind. Darum genießt sie bei so gut wie jedem, dem sie begegnet, Respekt. Auch bei Oppositionspolitikern. Nicht nur der Zeitgeist, sondern auch die Themen der Zeit helfen der Kanzlerin. Ihr Stabilitätskurs mag in Griechenland unbeliebt sein, aber nicht in Deutschland, das den Mythos von der starken Mark in den Genen hat. Nicht ganz, aber fast im Alleingang hat Merkel Schuldenbremsen usw. in Europa durchgedrückt. Das mögen einige stur finden, aber es wirkt eben auch heroisch. Schließlich: Merkel hat obendrein auch noch Fortune. Die Arbeitslosigkeit ist niedrig, Deutschland geht es sehr viel besser als seinen Nachbarn. Es mag ungerecht sein: Den Ärger über Schröders Reformen hatte Schröder, den Lorbeer dafür erntet Merkel. Fazit: Die SPD hat Recht: Im Augenblick ist Merkel kaum zu schlagen. Das mag zwar ein realistischer Befund sein. Für eine Opposition ist er aber auch seltsam.

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