Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Turbo-Wahlkampf zündet nicht. Leitartikel von Walter Bau
Essen (ots)
An Gesprächsthemen im Bekanntenkreis mangelt es in diesen Tagen nicht: die Benzinpreise und der Breivik-Prozess, Borussia und die Bayern, das Wetter. Ein Thema aber kommt nicht vor: die Landtagswahl in NRW. Sähe man beim Weg durch die Stadt nicht die wenig originellen Plakate der Parteien, man bekäme nichts von der Wahl mit. Kurz und knackig sollte die Kampagne diesmal sein, stattdessen kommt sie lahm und langweilig daher. Der viel zitierte Turbo-Wahlkampf - er zündet nicht.
Das ausgeprägte Desinteresse der Wählerschaft ist vor allem in zwei Punkten begründet. Zum einen: Es fehlt das Aufregerthema. Die Bildung als klassisches landespolitisches Schlachtfeld bietet nach dem Schulfrieden und dem allseits erklärten Verzicht auf Studiengebühren kaum Ansatzpunkte für eine Profilierung. Der Versuch von CDU und FDP, Rot-Grün eine verantwortungslose Politik auf Pump anzuhängen, zieht ebenfalls nicht mehr - in Sachen Neuverschuldung lag die Regierung zuletzt auf ähnlichem Niveau wie die schwarz-gelben Vorgänger. Und das Thema Energie/Umwelt - wenn auch das Zukunftsfeld schlechthin - ist für den Wahlkampf zu sperrig.
Zweiter Punkt: Es herrscht keine Wechselstimmung im Land wie etwa 2005, als viele Menschen die SPD nach 39 Jahren aus der Regierung jagten. Zumal die Opposition vorrangig mit sich selbst beschäftigt ist.
So dümpelt der Wahlkampf vor sich hin. SPD und Grüne setzen auf den Trend gegen Schwarz-Gelb und die Popularität von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Die CDU scheint sich schon mit einer Niederlage abgefunden zu haben. Wirkliche Spannung versprechen allein die Fragen, ob es FDP und Linke wieder über die fünf Prozent schaffen und ob die Piraten mit einem ein- oder zweistelligen Ergebnis ins Parlament einrücken.
Hier liegt auch die wirkliche Gefahr für Rot-Grün: Sollte der Fall eintreten, dass sich künftig gleich sechs Parteien im Landtag die Plätze teilen müssen, dürfte es sehr eng werden für eine rot-grüne Mehrheit. Dann drohen, wie schon nach der Wahl 2010, eine unübersichtliche Gemengelage und ein langes Gezerre um Koalitionen und Konstellationen. Reichlich Gesprächsstoff inklusive.
Fazit: Der Wahlkampf in NRW ist saft- und kraftlos. Nicht ausgeschlossen, dass die Kampagne erst dann so richtig Fahrt aufnimmt, wenn sie eigentlich gelaufen ist: am Wahlabend, wenn das Ergebnis feststeht.
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