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WAZ: Kalter Krieg 2.0 - Kommentar von Dirk Hautkapp

Essen (ots)

Die Sache wäre 30 Jahre eher wohl so ausgegangen: Morgengrauen auf der Glienicker Brücke in Potsdam. Von rechts kommt die Wagenkolonne mit Viktor Bout, dem russischen Waffenhändler, auf den Moskau so scharf ist. Von links der Autokorso mit Edward Snowden, dem Datenspion, den Washington zur Rechenschaft ziehen will. In der Mitte dann die wortlose Übergabe der menschlichen Faustpfande - und fertig. Weiter wär's gegangen im knallharten Kampf der Systeme. Die Geschichte wollte es zum Glück anders. Die historische Nahtstelle für Menschenhandel und Agentenaustausch gibt es nicht mehr. Dabei deuten gerade alle Zeichen zwischen Russland und Amerika auf eine Rückkehr des Kalten Krieges hin. Moskaus nach Legitimation und Anerkennung buhlender Präsident verfährt im Fall Snowden nach Schema F: Was schlecht ist für Washington, ist gut für uns. Eine Linie, die auf fast allen Feldern zu erkennen ist. Während Washington Syriens Despoten Assad aus dem Verkehr gezogen wissen will, hält Moskau dem Regime die Stange. Wo Amerika das iranische Atomprogramm einhegen will, leistet Russland nukleare Entwicklungshilfe. Schlägt Obama vor, das zerstörerische Arsenal von Massenvernichtungswaffen zu verkleinern, kontert Putin mit einem kühlen "Njet". Das Ausmaß der zur Schau gestellten Uneinigkeit ist groß. Das Denken in Blöcken noch größer. Von Entspannung und konstruktiver Zusammenarbeit keine Spur. Obama scheint die Gefahr erkannt zu haben, die in der Eskalation der Worte liegt. Was das Auslieferungsersuchen für Snowden angeht, rüstet Washington rhetorisch ab. Für Putin ergibt sich dadurch eher eine gesichtswahrende Lösung. Bei Licht betrachtet kann er kein echtes Interesse daran haben, dass der Datendieb aus Hawaii lange auf russischem Hoheitsgebiet ausharrt und das Hohelied auf die informationelle Selbstbestimmung des Menschen singt. Dissidenten und "Hacker" im eigenen Land, die sich gegen eine viel handfestere Art von Zensur, Willkür und Menschenrechtsverletzungen zu wehren haben, könnte so viel Zuneigung unerwünschten Auftrieb geben. Auch bei Moskaus Geheimdiensten sind Datenschätze zu heben.

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