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WAZ: Energie - Europa ist Absurdistan. Kommentar von Thomas Wels

Essen (ots)

Es herrschte schon mal mehr Harmonie unterm europäischen Dach. Das Ansinnen von EU-Kommissionspräsident Barroso, es sein zu lassen mit zwei von bisher drei verbindlichen Klimazielen, ist Ausdruck atmosphärischer Störungen insbesondere zwischen Barroso und Kanzlerin Merkel. Es kann der EU-Kommission nicht gefallen haben, wie Merkel zugunsten der heimischen Autoindustrie strengere Abgaswerte kalt ausgebremst hat. Und natürlich muss Brüssel daran Anstoß nehmen, aus der Zeitung von der teutonischen Energiewende und dem Aus der Atomenergie zu erfahren. Die drei EU-Ziele - Ausbau der Erneuerbaren, Reduzierung der Treibhausgase und Verbesserung der Energieeffizienz - sind Merkels Ziele. Die Kanzlerin hat sie durchgesetzt. Es ist offensichtlich: Maßgebliche EU-Kommissare sind nicht mehr willens, die deutsche Dominanz in der Energiepolitik hinzunehmen. Siehe das EU-Wettbewerbsverfahren gegen die Ökostrom-Umlage. Letztlich steckt hinter dem Konflikt beinharte Industriepolitik. Deutschland hat als Vorreiter in Sachen Energiewende inzwischen eine ausgewachsene Öko-Industrie und mithin ein Interesse an möglichst ambitionierten Klimaschutzzielen. Frankreich und Großbritannien, die auf Atomenergie setzen, haben ein Interesse daran, nur ein Ziel zu formulieren - das zur Minderung des Kohlendioxidausstoßes, da AKW als CO2-frei gewertet werden. Es herrscht ein munteres Durcheinander auf dem so wichtigen Feld der Energieversorgung. Von Binnenmarkt keine Spur. Die EU gönnt sich 20 unterschiedliche Fördersysteme für die Erneuerbaren. Allein in Deutschland bringt es das Erneuerbare-Energien-Gesetz auf abstruse 4000 Fördersätze. Die Klimaschutzziele mögen wichtig sein fürs politische Schaufenster. Letztlich geht es aber um den Willen zur Harmonisierung. So lange Großbritannien den Bau acht neuer Atomanlagen mit Subventionen plant und Deutschland de facto niederländischen Öko-Strom aussperrt, leben wir in Energie-Absurdistan. Die Bundesregierung wäre gut beraten, den Vorstoß aus Brüssel als Warnschuss zu werten: Führung in Europa zu übernehmen ist eben mehr, als nur eigene Interessen durchzusetzen.

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