Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Aufschwung hat Probleme kaschiert - Kommentar Stefan Schulte zu Kassenbeiträgen
Essen (ots)
Unsere Gesundheit ist uns lieb und deshalb teuer. Wir werden, der Demografie geschuldet und dem medizinischen Fortschritt sei Dank, immer älter. Viele noch vor zehn, 15 Jahren kaum heilbare Krankheiten lassen sich heute gut behandeln. Niemand stellt infrage, ob wir uns diese Forschungserfolge leisten wollen. Natürlich wollen wir das. Doch um wie viel teurer es für die Bürger wird und ob nicht auch die Arbeitgeber etwas beitragen sollten, ist Sache der Politik. Und die hat sich lange genug weggeduckt.
Der für Bürger, Wirtschaft und Staatsfinanzen so segensreiche Aufschwung hat in den vergangenen Jahren viele Probleme kaschiert, die eine alternde Gesellschaft begleiten. Die Rekordbeschäftigung brachte den Sozialversicherungen Rekordeinnahmen. Dass die Kosten nach wie vor stiegen, fiel gar nicht auf. Das milliardenschwere Rentenpaket wäre nie gekommen, hätte die Regierung es zum Start nicht mal eben aus den Rücklagen bezahlen können. Auch Gesundheitsminister Gröhe nutzte die gute Kassenlage, es allen recht zu machen - Kliniken, Ärzten und der Pharmaindustrie.
Fast alle Kassen müssen daher ihre Beiträge erhöhen - und die Versicherten das alleine tragen. Sie zahlen die Rechnung dafür, dass die Politik im Bemühen, die unvermeidlich steigenden Kosten wenigstens in Grenzen zu halten, eine mehrjährige Pause eingelegt hat. Natürlich können sie die Kasse wechseln, um ein paar Euro zu sparen. Der Wettbewerb um den niedrigsten Beiträge ist in vollem Gange. Doch er ändert nichts an der Tendenz zu Beitragserhöhungen auf breiter Front.
Die Beitragszahler wären schlechterdings überfordert, müssten sie die steigenden Kosten des Gesundheitssystems allein tragen. Ein, zwei Jahre kann das noch gut gehen, die Koalition das Problem bis nach der Wahl 2017 aussitzen. Doch es ist weder sachlich gerechtfertigt noch solidarisch, die Arbeitgeber auf alle Ewigkeit in Ruhe zu lassen. Auch sie profitieren von schneller genesenden und länger gesund bleibenden Beschäftigten. Seit 2009 werden die Arbeitgeber nun von steigenden Kassenbeiträgen verschont. Das sollte einstweilen reichen.
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