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WAZ: Essen statt Wolfratshausen - Kommentar von Alexander Marinos zu Merkel/CSU

Essen (ots)

Ist es eigentlich ein Zeichen von Stärke oder von Schwäche, wenn man nachgibt? Die Antwort lautet: Es kommt darauf an. Es kommt darauf an, ob ein Nachgeben auch ein Sich-Verbiegen bedeutet - oder ob es um eine schlaue Kurskorrektur geht, die zum selben Ziel führt. Auf eine - angebliche - Leerformel ("Wir schaffen das") zu verzichten, ohne das bisherige Handeln grundsätzlich in Frage zu stellen, sieht nach einem kontrollierten, einem schlauen Nachgeben aus. Angela Merkel musste sich nicht verbiegen. Sie ist auch nicht umgefallen. Sie steht. Sie gibt sich demütig, sie hat verstanden, aber sie steht.

Was will die CSU noch? Akzeptiert sie das Friedensangebot? Findet sie jetzt einen Weg, selbst auf kluge, auf starke Weise nachzugeben? Oder geht es ihr schließlich doch so oder so um die politische Vernichtung der Kanzlerin? Die Möglichkeiten sind ja, Stand heute, begrenzt: Gibt Merkel nicht weiter nach, stimmt die CSU einer erneuten Kanzlerkandidatur wohl nicht zu. Gibt sie weiter nach, ist Merkel eine unwählbare, weil öffentlich gedemütigte Umfallerin.

Nehmen wir einmal mit etwas Fantasie an, die CSU handele schlau. Dann würde sie sich ihrerseits von einer Leerformel verabschieden, die da lautet: "Obergrenze." Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt hat gerade einen Weg dazu aufgezeigt: Man könne auch von "Richtwert" oder "Orientierungsgröße" sprechen. Das klingt weniger verbindlich und stünde, anders als die Obergrenze, nicht im Widerspruch zum Grundgesetz.

Was aber, wenn die CSU nicht schlau handelt? Dann kommt es darauf an, dass Merkel nicht weiter nachgibt. Im Gegenteil. Sie müsste den CSU-Anspruch, in der K-Frage mitzureden, ignorieren und auf dem Essener CDU-Bundesparteitag im Dezember Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur für sich in Anspruch nehmen. Selbst ihre parteiinternen Kritiker müssten sich hinter ihr versammeln, weil ihre eigenen Machtperspektiven davon abhingen. Was würde die CSU dem entgegensetzen können? Die Zeiten, in denen die Zukunft der Republik in Wolfratshausen verhandelt wurde, sind vorbei.

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