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WAZ: Wir stehen am Beginn einer neuen Epoche - Leitartikel von Alexander Marinos zum anstehenden Dieselgipfel

Essen (ots)

Der Dieselgipfel morgen kann nur der Anfang sein. Der Anfang vom Ende einer Epoche, die kaum ein Land so geprägt hat wie Deutschland. Rund 140 Jahre ist es her, dass hier der Verbrennungsmotor erfunden wurde. Der weltweite Erfolg deutscher Autos, angetrieben durch fossile Brennstoffe, bildet bis heute die Grundlage unseres Wohlstandes. Doch der Verbrennungsmotor hat keine Zukunft mehr - nicht nur in Europa, sondern auch und vor allem in Massenmärkten wie China. Der Autoindustrie und der Politik dämmert so langsam, was das bedeutet.

Das größte Risiko resultiert aus dem Vertrauensverlust und der damit einhergehenden nachhaltigen Beschädigung der deutschen Marken. Denn was eigentlich bleibt übrig, wenn es künftig nicht mehr der "Vorsprung durch Technik" ist, wie es bei Audi heißt? Auch wenn am Ende vielfach geschummelt wurde, so hatten sich die deutschen Hersteller beim Verbrennungsmotor ja tatsächlich über Jahre und Jahrzehnte einen Vorsprung erarbeitet und diesen ausgebaut. Das alles ist nun nahezu schlagartig wertlos, denn im Vergleich zur Verbrennungsmaschine ist ein Elektromotor eine einfache Konstruktion. Die größten Herausforderungen sind künftig die Akkus und die Systeme zum autonomen Fahren. Hier haben die Teslas und Googles dieser Welt deutsche Entwickler mindestens eingeholt. Es bleiben daher, Stand heute, zwei Wettbewerbsvorteile Deutschlands: Das Know-how, Autos in gleichbleibender Qualität massenweise herzustellen (hier tun sich Neulinge wie Tesla außerordentlich schwer), und eben der Klang der Marken wie Mercedes, Porsche oder BMW, beziehungsweise das, was davon übrig geblieben ist.

Morgen werden wir sehen, ob die Markenverantwortlichen verstanden haben. Um aus der Defensive herauszukommen, müssten sie den geprellten Verbrauchern nun von sich aus mehr anbieten als billige Software-Updates. Sie müssten sich selbst verpflichten, die Fahrzeuge auf der Straße und jene, die noch vom Band laufen, auf eigene Kosten in den neuesten Stand der Technik zu versetzen. Mindestens so wichtig ist aber auch, dass die verantwortliche Politik versteht. Soweit sie sich zum Komplizen beim Schummeln, Vertuschen und Herunterspielen macht, lässt sie den für den anstehenden Strukturwandel notwendigen Druck aus der Sache. Und der Strukturwandel wird heftig sein. Er ist im nationalen Maßstab vergleichbar mit dem, was das Ruhrgebiet durchmachen musste und noch muss.

Millionen von Arbeitsplätzen sind in Deutschland heute von der Autoproduktion abhängig. Für die Herstellung von Elektromotoren benötigt man sehr viel weniger Mitarbeiter. Zulieferer, die sich auf Getriebe, Kühler oder Abgasanlagen spezialisiert haben, fahren gegen die Wand, wenn sie sich nicht ebenfalls wandeln. Und was wird aus den Autohäusern, die vor allem von ihren Werkstätten leben? Elektromotoren sind vergleichsweise wartungsfrei; nicht einmal einen Ölwechsel benötigen sie. Und dann wäre da noch die Stromversorgung. Strom aus nachhaltigen Quellen muss in ausreichender Menge produziert, transportiert und flächendeckend angeboten werden, so dass jederzeit genügend Akkus den Strom speichern können.

Deutschland benötigt für diese epochale Veränderung nicht nur mutige, weitsichtige Manager, sondern auch ebensolche Politiker. Verkehrsminister Dobrindt ist dafür nicht der Richtige. Jetzt ist die Kanzlerin gefordert. Nach dem Diesel- sollte sie schon bald zu einem Mobilitäts- und zu einem Energiegipfel einladen.

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