Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Hausärzte in NRW kritisieren Jens Spahns "Booster für alle"-Vorstoß
Essen (ots)
Während die Gesundheitsminister von Bund und Ländern um den richtigen Kurs im Kampf gegen die Pandemie ringen, kritisieren zahlreiche Hausärzte in NRW den Ruf von Jens Spahn (CDU) nach "Boostern für alle". Dafür müssten zunächst die Voraussetzungen stimmen, mahnte Dr. Oliver Funken, Vorsitzender des Hausärzteverbandes Nordrhein. Er sprach gegenüber der in Essen erscheinenden Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ, Freitagausgabe) von einem "medialen Schnellschuss der Politik".
"Wir halten uns an die aktuelle Stiko-Empfehlung und setzen die Auffrischungskampagne bei den relevanten Zielgruppen zügig und konsequent um. Politischer Aktionismus bringt uns jetzt nicht weiter", so Funken. Die Hausarztpraxen seien zwar im "Impf-Flow". Der Impfstoff müsse aber flexibler und kurzfristiger in die Praxen geliefert werden. Funken: "Von der Bestellung des Impfstoffs bis zur Auslieferung dauert es bis zu zwei Wochen. Wenn Minister Spahn die schnelle Booster-Impfung für alle fordert, müssen Ärzte auf die kurzfristig erhöhte Nachfrage reagieren können." Impfstofflieferungen innerhalb eines Tages seien dazu zwingend notwendig.
"Meine Kolleginnen und Kollegen möchten jene zuerst impfen, die es brauchen und nicht die, die am schnellsten laufen können", sagte Dr. Eugen Breimann, Sprecher der Hausärzte in Duisburg, der WAZ. Spahns Booster-Initiative führe zu Verstimmungen. Manche Praxen seien angesichts der Anfragen nach Booster-, Erst- und Zweitimpfungen sowie nach Grippe-Immunisierung regelrecht "verstopft".
Die Vorsitzende des Hausärzteverbandes Westfalen-Lippe, Anke Richter-Scheer, relativierte: "Die Ärztinnen und Ärzte treffen ihre Impfentscheidungen nicht auf der Basis von politischen Vorstößen, sondern in Abstimmung mit den Patienten und unter Berücksichtigung ihrer individuellen Situation." Die Stiko räume durchaus die Möglichkeit ein, auch Menschen zu impfen, die nicht unter die Empfehlung der Stiko fallen, also jünger seien als 70 Jahre.
Entscheidend sei, dass es immer noch zu viele Menschen gebe, die sich nicht impfen lassen würden, obwohl sie es könnten. "Da ist es doch nachvollziehbar, dass der andere Teil der Menschen sich und seine Umgebung schützen möchte. Ein unter 60-Jähriger möchte vielleicht seine kranken Eltern schützen." Hier sei es gut und richtig, dass Hauärztinnen und Hausärzte Impfentscheidungen unter Berücksichtigung der Gesamtsituation treffen könnten, so Richter-Scheer.
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