Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Regierungserklärung und Job-Gipfel: Ein großes Rad - Leitartikel von Uwe Knüpfer
Essen (ots)
Deutschlands Arbeitsarmut ist nicht über Nacht entstanden. Sie hat viele Ursachen. Davon sind einige hausgemacht. Bläst man den rhetorischen Nebel beiseite, der Bundestagsdebatte und Job-Gipfel umhüllte, haben Regierung und Union die bekannten Wachstumshemmnisse tatsächlich ins Visier genommen. Insofern hat sich der Aufstieg zum Gipfel gelohnt. Dafür haben beide Seiten Lob verdient. Natürlich gibt es Kritiker, die mehr erwartet haben. Im Vorfeld der Ereignisse vom Donnerstag wurden Hoffnungen geschürt, die niemand erfüllen kann, nicht einmal ein Superman. Wer einfache und schnelle Lösungen liebt, wird von der Rede des Bundeskanzlers gelangweilt worden sein. Selten hat sich Gerhard Schröder öffentlich so intensiv mit Details der Steuergesetzgebung beschäftigt wie am Donnerstag. Das sollte gerade jenen gefallen, denen der Kanzler sonst oft zu luftig und zu flapsig erscheint. Angela Merkel und Edmund Stoiber können sich zugute halten, den Kanzler zu dieser Art der Ernsthaftigkeit genötigt zu haben: Schröder hat seine Akten gelesen. Ärgerlich wäre es gewesen, hätten Regierung und Union nichts anderes getan, als die eigenen Rezepte zu preisen und die vom anderen empfohlene Therapie als Scharlatanerie abzutun. Das taten sie freilich auch, doch so viel Wahlkampf ist legitim. Wahlkampf verlangt nach Schablonen und Vereinfachung. Es ist Regierung und Union hoch anzurechnen, dass sie es diesmal bei der Schwarzweißmalerei nicht belassen haben. Wenn sie beim Wort zu nehmen sind, und das wollen wir hoffen, müssten sich beide Lager bei den Themen Unternehmensbesteuerung, Förderung des Mittelstands, Planungsvereinfachung, Hinzuverdienst für Arbeitslose und Föderalismusreform nun rasch einigen können. Dabei würde an vielen kleinen Schrauben gedreht, doch womöglich ein großes Rad in Bewegung gesetzt. Welcher Partei das zugute käme? Allen demokratischen.
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