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WAZ: Deutschland stimmt EU-Verfassung zu: Kein Feld für Desperados - Leitartikel von Hendrik Groth

Essen (ots)

Innenpolitischer Streit, diffuse oder konkrete
Globalisierungsängste treffen die Europäische Union ins Mark. Sollte
Frankreich am Sonntag Nein zur EU-Verfassung sagen, bedeutet das
nicht, dass unsere Nachbarn Brüssel den Rücken kehren wollen. Die
Debatten rund um die Volksabstimmung wurden in-strumentalisiert, ja
sie wurden missbraucht, um Präsident Jacques Chirac abzustrafen. Mit
Europapolitik hat so ein Vorgang herzlich wenig zu tun. In den
Niederlanden spiegelt sich ein ähnliches Bild wider. Dort wird,
rechtlich nicht bindend, am 1. Juni abgestimmt. Auch hier steht die
Mitte-Rechts-Regierung in der Kritik. Europa ist in schweres
Fahrwasser geraten. Hilfreich ist es in dieser Lage nicht, dass sich
die Bundesrepublik eine Regierungskrise plus Neuwahlen leistet. Den
europäischen Krisenmanager wird Kanzler Gerhard Schröder vor diesem
Hintergrund nicht geben können. Es fehlen die Staatsmänner mit
Visionen, die dem europäischen Wahlvolk glaubwürdig darlegen können,
warum Europa die Verfassung braucht, warum die Antwort auf
Globalisierung ein Mehr und nicht ein Weniger von Europa verlangt.
Der Bundesrat hat dem Vertragswerk am Freitag zugestimmt. Frankreichs
Ex-Präsident Valéry Giscard d'Estaing hatte zuvor in Berlin für die
Annahme der Verfassung geworben. Wie klein und unfähig wirkt in
diesem Zusammenhang die Stimmenthaltung der rot- roten
Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern auf Drängen der PDS. Ein
anderer Politik-Desperado sah auch die Chance, wieder erwähnt zu
werden. Die Klage gegen die Ratifizierung durch Bundestag und
Bundesrat beim Bundesverfassungsgericht von CSU-Populist Peter
Gauweiler wird keinen Erfolg haben. Dennoch droht eine längere Krise.
Ohne Verfassung ist die EU nicht regierungsfähig und wird
zwangsläufig im globalen Wettbewerb zurückfallen. Es wird viel
wichtige Zeit verspielt, andere außereuropäische Staaten wird es
freuen.

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