Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Neue Diskussion über Autobahngebühr: Pkw-Maut macht Sinn - Leitartikel von Hendrik Groth
Essen (ots)
Willkommen in der Wirklichkeit. Es ist vorbei mit den nicht haltbaren Wahlversprechen, es sollte auch vorbei sein mit einer Klientelpolitik, die von ausgefuchsten Lobbyisten formuliert wird und die von der Politik übernommen wird.
Die große Koalition kommt und mit ihr wird aller Wahrscheinlichkeit über kurz oder lang die Maut für Pkw kommen. Vor der Wahl versicherten fast alle gebetsmühlenhaft, die Autofahrer wegen hoher Energiepreise auf gar keinen Fall weiter zu belasten. Mehr noch: Sogar von Steuersenkungen wurde fabuliert. Jetzt werden die Befürworter der Maut nach vorne geschickt. Man sollte unaufgeregt darüber diskutieren und dann zu dem vernünftigen Schluss kommen, die Autobahngebühr wie fast alle industrialisierten Staaten einzuführen.
Es hat einen faden Beigeschmack, wenn sich Politiker auf Abruf, wie der noch amtierende Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe, mit Vehemenz gegen eine Pkw-Maut aussprechen, obwohl sie selbst die Lkw- Maut einführten. Auch die NRW-Landesregierung mimt noch den Interessenvertreter des Autofahrers, wohl wissend, dass etwa das CDU- regierte Baden-Württemberg die Maut vorantreibt. Am Ende wird man sich einigen, da bundesweit die Haushalte tief in den roten Zahlen stecken.
Die öffentliche Hand ist pleite. Die Maut wäre nur ein erster Schritt, Bewegung in den Straßenbau und in die Haushaltssanierung zu bekommen. Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement liegt deshalb mit seinem Vorschlag richtig, das Autobahnnetz zu verkaufen. Hier können Milliarden eingenommen werden. Wer die Privatisierung von Autobahnen als einen Verkauf des Tafelsilbers geißelt, der möge nach Frankreich schauen. Sowohl konservative wie linke Regierungen haben dort dem Staat immer eine aktive Rolle in der Wirtschaftspolitik eingeräumt. Dass die Autobahnen privatisiert sind, stört aber niemanden.
Doch die Maut ist nur ein Vorgeschmack. Die Mitglieder der künftigen Bundesregierung werden von ihrer Wahlkampfrhetorik Abschied nehmen und Tacheles reden müssen. Die Rente, Kranken- oder Pflegeversicherung sind Problemfelder, die angepackt werden müssen. Wer der Bevölkerung suggeriert, dies werde ohne Einschnitte machbar sein, der kann gleichzeitig mautfreie Autobahnen und Benzinpreise unter einem Euro versprechen.
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