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WAZ: US-Präsident Bush in der Krise: Der Verfall der Macht - Leitartikel von Markus Günther

Essen (ots)

"Dunkle, sehr dunkle Tage” soll Andrew Card, der
Stabschef im Weißen Haus, dem US-Präsidenten angekündigt haben. Er
hatte Recht. Die Nachrichten für George W.Bush könnten kaum
schlechter sein, und sie könnten kaum ungünstiger zusammentreffen:
Erst musste der 2000. gefallene US-Soldat im Irak vermeldet werden,
dann erlitt Bush mit dem von der eigenen Partei erzwungenen Scheitern
seiner Kandidatin für den Obersten Gerichtshof die größte
innenpolitische Niederlage seiner Amtszeit, und schließlich stehen
hochrangige Mitarbeiter seiner Regierung unter Verdacht, eine
CIA-Agentin in einer Art Racheakt gegen einen Kritiker der
Irak-Politik enttarnt zu haben.
Der Wendepunkt in der Ära Bush wird sich im Rückblick klar
terminieren lassen: Ende Oktober 2005 begann der Verfall der Macht.
Wäre Bush ganz unmittelbar von einer Parlamentsmehrheit abhängig,
würde sich jetzt vielleicht sogar die Frage nach Rücktritt,
Misstrauensvotum oder Neuwahl stellen. Die amerikanische
Präsidialdemokratie dagegen ermöglicht auch geschwächten
Regierungschefs die Fortsetzung ihrer Arbeit. Doch sie sind deshalb
nicht unabhängig von den Mehrheitsverhältnissen im Parlament oder von
der Stimmung in der Öffentlichkeit. Für Bush hat sich der reale
Machtverlust rapide beschleunigt.
Für die breitere Öffentlichkeit ist die de-solate Lage im Irak
viel bedrückender als der undurchsichtige Fall um eine enttarnte CIA-
Agentin. Andererseits ist die Anklageerhebung für sich genommen ein
dramatischer Vorgang mit unabsehbaren Folgen, denn hinter den
Winkelzügen Washingtoner Advokaten steht ja eine hochpolitische
Frage: Wie konnte es Bush gelingen, die USA in den Krieg gegen Saddam
Hussein zu führen und dabei auch noch große Teile der Opposition auf
seine Seite zu bringen?
Die Behauptungen über Saddam Husseinsangebliche
Massenvernichtungswaffen werden niemals vor einem Gericht zur Debatte
stehen. Vielleicht gerade deshalb hat der Fall des Bush- Kritikers
Joseph Wilson und seiner Frau Valerie Plame eine politische Dynamik
gewonnen, die Bush nach fünf Jahren im Weißen Haus erstmals ernsthaft
in Bedrängnis bringt. Stellvertretend für die nie geführte
Auseinandersetzung um die tatsächlichen Kriegsgründe wird in diesem
Fall der Konflikt um Bushs Verantwortung für den Krieg und seine
Folgen ausgetragen. Dass dieser Konflikt aktuell bleibt, ist
sichergestellt, solange der Krieg andauert.

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