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WAZ: Kommentar zu: Lehrerproteste in Nordrhein-Westfalen - Von Sigrid Krause

Essen (ots)

Dass Lehrkräfte auf ihre oberste Dienstherrin sauer
sind, ist normal. Warum sollte es ihnen besser gehen als dem
Stahlwerker oder der Straßenbahnfahrerin, die erleben, dass „die da
oben” null Ahnung haben vom harten Alltag an der Basis. Und diesen
durch bizarre Ideen nur erschweren.
Diesmal aber ist eine neue Qualität erreicht. Dass selbst der NRW-
Lehrerverband der Gymnasial- und Realschullehrer, traditionell eher
der CDU zugeneigt, die neue Ministerin als unbelehrbar kritisiert,
ist starker Tobak. Nach nur einem halben Jahr im Amt wirft er ihr die
Brocken vor die Füße, redet von „Klimakatastrophe” und
„Gängelungs-orgie” – redet Klartext in einer Sprache, die bislang
eher anderen vorbehalten war.
Die Stimmung an den Schulen ist offenbar tatsächlich nahe am
Gefrierpunkt. Dass die attackierte Ministerin energisch kontert,
verwundert nicht. Leider geht ihr Vorwurf „Verbandsinteressen” nicht
darauf ein, was ihre Leute zunehmend auf die Palme bringt. Das ist
gefährlich. Lehrerinnen und Lehrer waren in den letzten 30 Jahren nie
so stark gefordert wie heute. Sie sind es ja, die aus dem –
nachweislich maroden – Schulsystem das Beste machen sollen. Und
müssen. Die stille Katastrophe dieses Systems wird im politischen
Kleinkrieg nur allzu schnell aus den Augen verloren. Daran ist immer
wieder zu erinnern: Jedes vierte Kind ist nach zehn Schuljahren nicht
fähig, einen Beruf zu erlernen. Verantwortlich sind dafür viele, die
Kinder sind es nicht.
Die Lösung liegt nicht darin, ab sofort 100 Prozent Unterricht zu
erteilen. Ob ein Kind erfolgreich lernt, hängt nicht ab von der Zahl
der Stunden, sondern vor allem davon, was in dieser Zeit geschieht.
Dazu aber fällt vielen Lehrern bislang wenig Neues ein. Dass sie
selbst noch vieles lernen könnten, ist den meisten längst klar; was
fehlt, ist die gute, systematische Fortbildung. Die wird soeben zur
„Privatsache” erklärt, nach Schulschluss zu absolvieren.
Was gleichfalls fehlt, ist dies: Eine klare Vorstellung davon, wie
unsere Schulen in zehn, zwanzig Jahren aussehen sollen. Erst wer ein
klares Ziel sieht, kann sich überlegt auf den Weg dorthin machen.
Über Visionen zu reden, das Machbare zu planen, würde sich lohnen.
Sich gegenseitig den schwarzen Peter zuzuschieben, lohnt nicht.

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