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WAZ: Eine Freundschaft, die Kritik erlaubt - Kommentar von Angela Gareis

Essen (ots)

Der mächtigste Mann der Welt hatte sich auf eine
bequeme Bundeskanzlerin gefreut. Angela Merkel haftete seit ihrem
Besuch in Washington vor drei Jahren der Ruf an, besonders treu zu
den USA zu stehen. Also lud George W. Bush die Kanzlerin gleich nach
ihrer Wahl ins Weiße Haus ein, welches Gerhard Schröder bekanntlich
eine Zeit lang nicht betreten durfte. Merkel teilte mit, sie käme,
aber erst später. Wenn man weiß, wie missvergnügt Bush darauf
reagiert hat, wirkt die vernichtende Kritik an dem US-Gefangenenlager
Guantanamo noch etwas kühner.
Erst seit wenigen Wochen ist Merkel Bundeskanzlerin, aber im
Unterschied zu ihrem Vorgänger setzt sie bereits außenpolitische
Akzente, die eine Linie erkennen lassen. Schröder irrlichterte zu
Beginn seiner Amtszeit ziemlich herum, bevor er – auch durch die
Ablehnung des Irak-Krieges – seine Position in Europa und der Welt
fand. Er entwickelte seine Beziehungen oft instinktiv, auf der
Grundlage gegenseitigen Aufdieschulterhauens. Über sein persönliches
Verhältnis zu dem französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac und
dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gestaltete er die
umstrittene Achse zwischen Berlin, Paris und Moskau.
Merkel dagegen verschafft sich Bewegungsfreiheit, indem sie sich
von keiner Seite vereinnahmen lässt. Sie scheint ihre Außenpolitik
strategisch durchdacht aufzubauen. Deutliche Worte über Guantanamo an
die USA (hat Schröder sich nicht getraut) kombiniert sie mit dem
Bekenntnis zur Freundschaft. Deutliche Worte an Russland über die
nicht gerade lupenreine Demokratisierung (hat Schröder sich nicht
getraut) kombiniert sie mit der Bezeichnung Partnerschaft.
So stuft die Kanzlerin den Grad ihres Vertrauens
unmissverständlich ab. Selbst wenn der amerikanische Präsident sich
ärgern sollte, zeigt Merkel doch, dass sie berechenbar sein will –
und zugleich unabhängig in ihren Ansichten. Auch ihr Reiseplan
beweist Konsequenz. Zunächst flog sie nach Paris, wo sie sich Chiracs
allzu enger Umarmung entzog, und dann gleich nach Brüssel. Dort
besuchte sie das NATO-Hauptquartier, um die transatlantischen
Beziehungen zu würdigen, und anschließend die EU-Kommission. Erst
nach den Stationen in London und Warschau steht jetzt Washington auf
dem Programm. Moskau folgt danach.
Merkel sucht sichtbar die Verankerung in der Mitte Europas, eine
freundschaftliche Beziehung zu den USA, die Kritik erlaubt, und ein
konstruktives Verhältnis zu Russland. Ihr Vermittlungsgeschick beim
EU-Finanzgipfel, und ihre großzügige Geste gegenüber Polen haben ihr
Anerkennung eingetragen. Mit dem selbstbewussten Auftritt gegenüber
den USA und Russland will sie Respekt gewinnen. Dabei pflegt Merkel
den sachlichen Stil, den sie auch in der Innenpolitik eingeführt hat.

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