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WAZ: Dresden wirft neue Fragen auf: Mehr Mut zur Privatisierung - Kommentar von Jürgen Frech

Essen (ots)

Die Stadt Dresden hat ihre Wohnungen verkauft. Alle
48 000. Genannt wird bei dieser Transaktion ein Gesamtvolumen von 1,7
Milliarden Euro. Selbst in einer noblen Stadt wie Dresden sind das
Dimensionen, die in finanzpolitischer Hinsicht alle bisherigen
Denkmuster aus den Angeln heben. Und wir im Ruhrgebiet?
Viele Anhänger hat das Dresdener Beispiel noch nicht gefunden,
auch wenn mit Burkhard Drescher, dem Ex-Oberbürgermeister von
Oberhausen, nun ein alter Fahrensmann gegen den Strom schwimmt und
die Privatisierungsdebatte neu anstößt. Die Lage ist ja paradox: Für
weite Teile der öffentlichen Infrastruktur – ob Schulen, Rathäuser,
Brücken, Straßen, Gefängnisse oder Flughäfen – stehen
Privatinvestoren bereit, um ins Risiko zu gehen. Hier und da kommt es
sogar mal zur Privatisierung, die dann groß gefeiert wird. Eine
Initialzündung mit Breitenwirkung blieb jedoch aus.
Dahinter steht die Befürchtung, dass man sich kapitalistischen
Haifischen ausliefert, die dem Kunden anschließend den Hals zudrehen.
Die Wohnungen mögen für solche Visionen als Beispiel dienen. Nur:
Selbst Unternehmen wie RAG Immobilien, die voll aus der Tradition
dieser Region heraus kommen, schöpfen den örtlichen Mietspiegel
weitgehend aus. Nicht anders als die großen Fonds dieser Welt, die
jetzt Jagd auf Deutschlands Wohnungen machen.
Ob Staat oder Privatinvestor: Kosten- und Ertragsdruck gibt es für
beide Seiten. Den einen als gut und mitfühlend, den anderen hingegen
als schlecht und ausbeutend hinzustellen, wird der Realität nicht
gerecht. Auch die Notwendigkeit, seine Wohnungen zu modernisieren,
stellt sich für jeden gleich, denn wer das nicht tut, lässt ja sein
Vermögen verkommen und so dumm kann eigentlich niemand sein.
Sicher gibt es Gefahren. So ist bei den Renditeanforderungen die
Messlatte eines angelsächsischen Fonds eine andere als die einer
kommunalen Immobiliengesellschaft. Außerdem werden für
Wohnungsbestände inzwischen Kaufpreise gezahlt, die schon
atemberaubend sind. Daraus aber eine unmittelbare Bedrohung für alle
Mieter her-zuleiten, wäre ein ungerechtfertigtes Horror-Szenario,
denn auch hier zeigen sich wieder bemerkenswerte Parallelen: Alle
Wohnungsgesellschaften, ob privat oder staatlich, wollen Immobilien
an die bisherigen Mieter verkaufen. Das ist die – auch politisch
gewollte – Schaffung von Wohneigentum für breite Bevölkerungskreise.
Die Kommunen sind pleite. Wer aber soll dann die Straßen
ausbessern, die Schulen aufmöbeln und die Rathäuser bürgerfreundlich
ausbauen? Wäre es nicht gerade in dieser Notlage vorstellbar, die Tür
für private Investoren zu öffnen, so wie es bei den Flughäfen schon
begonnen hat? Die Welt unter staatlicher Obhut mag für manche
heimelig sein, doch wenn dieser Staat finanziell am Ende ist, hört
jeder Spaß auf.

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