Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Die Legehennen-Debatte: Frühstückseier aus deutschen Käfigen - Kommentar von Christina Wandt
Essen (ots)
Tiere haben hier zu Lande eine starke Lobby. Tausende Deutsche sind in Tierschutzorganisationen aktiv, andere führen einen einsamen Kampf für das Recht ihres Hundes, Sandkästen zu verunreinigen und sich ohne Leine frei zu entfalten. Tierfreunde hinterlassen ihr Vermögen der geliebten Katze, Taubenfreunde füttern ungehemmt die lästigen Vögel, deren Kot ganze Innenstädte verunziert und wertvolle Baudenkmäler zerstört.
Kein Wunder also, dass die Deutschen auch ein Herz haben für die harmlose Henne, die weder Kindern noch Kulturgütern etwas zu Leide tut. Bei Umfragen wird die Käfighaltung stets mit klarer Mehrheit abgelehnt, in Kinofilmen (Hennen rennen) ergötzt man sich an turbulenten Hühnerbefreiungen. Und so hat sich die grüne Agrarministerin Renate Künast in ihrem Kampf gegen die Legebatterien immer wieder auf den Willen des Verbrauchers berufen und gleich die Agrarwende ausgerufen.
Die Bereitschaft, der Grünen zu folgen, war freilich immer dann besonders groß, wenn gerade eine Seuche den Menschen den Appetit auf Produkte aus der Massentierhaltung verdarb, in den Hochzeiten von BSE, Schweinepest, Maul- und Klauenseuche. Ansonsten aber entfaltet sich die deutsche Geiz-ist-geil-Mentalität nirgends so prächtig wie beim Kauf von Nahrungsmitteln. Das gilt auch für die Eieresser: Obwohl 80 Prozent der Verbraucher für den Ausstieg aus der Käfighaltung sind, muss ihnen irgendjemand heimlich die billigen Eier von Käfighühnern in den Kühlschrank schmuggeln: Drei Viertel der 39 Millionen deutschen Legehennen leben laut Bauernverband in Käfigen.
Und in Käfigen werden sie wohl auf absehbare Zeit bleiben. Mit dem Beschluss des Bundesrates von diesem Freitag wird nicht nur die Batteriehaltung um zwei Jahre bis 2008 verlängert. Legehennen dürfen künftig auch in den umstrittenen Kleinvolieren gehalten werden. Kleinvoliere, das ist ein verbales Täuschungsmanöver, denn die Voliere ist qua Definition ein großer Vogelkäfig. In den Batterien sitzt ein Huhn auf einer Fläche, die kleiner ist als ein DIN-A4- Blatt, in den Kleinvolieren wird es nur wenig mehr Platz haben.
Während überzeugte Tierschützer die Bundesrats-Entscheidung gestern beklagten, ist mancher Kunde womöglich gar nicht so böse darüber. Im Zuge der Vogelgrippe geriet das freilaufende Huhn zuletzt als Virus- Überträger unter Verdacht, und die Batteriebetreiber priesen ihre Haltungsform als hygienischer, sicherer. Erstmals beeinflusste eine Tierseuche die Stimmung zu Gunsten der konventionellen Landwirte. Die hatten bereits gedroht, bei einer Beibehaltung von Künasts Kurs ihre Betriebe ins Ausland zu verlegen. Darum frohlockte NRW- Agrarminister Eckhard Uhlenberg gestern: Wir sorgen dafür, dass die Verbraucher ihre Frühstückseier aus Deutschland erhalten. Aus deutschen Käfigen.
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