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WAZ: Jugendliche im geistigen Getto - Kommentar von Rolf Potthoff

Essen (ots)

Schüler treten einen Mitschüler zusammen. Weil es
Spaß macht. Damit es noch mehr Spaß macht, filmen sie es und 
versenden das Leiden des Opfers per Handy - ein Fall, der fassungslos
macht.
Jugendpsychologen ordnen die maßlose Brutalität als Verhalten von
"Unterschicht"-Jugendlichen ein. Das liegt nahe, weil sich soziale 
Probleme und Bildungsdefizite da so stark wie sonst nirgendwo 
bündeln. Doch dem haftet Diffamierendes an. Und es scheint 
auszuschließen, dass sich bei in behüteter Überfluss-Bürgerlichkeit 
aufgewachsenen Kindern aus bildungsbeflissenen Akademikerkreisen 
ähnliche Gewaltexzesse abspielen - auch da wird man sie finden.
Wovon also reden wir? Von einem Milieu - gleich welcher 
Schichtzugehörigkeit - in dem "cool" sein angesagt ist. In dem, wer 
Gefühle zeigt, als Schwächling gilt. Wo die Gruppe das Verhalten, die
Regeln und Wertmaßstäbe prägt - was zumeist das Recht des Stärkeren 
ist. Es ist ein geistiges Getto, in dem auf Menschenverachtung und 
Krieg ausgelegte Filme und Videospiele die Vorbilder geben. Dass die 
Erosion familiärer Bindungen, dass Arbeits- und Perspektivlosigkeit 
die Verbreitung dieses gesellschafts-gefährdende Milieu fördern, 
versteht sich auf bittere Weise von selbst.
Was ist zu tun? Es gibt keine eindimensionale Lösung. Es liegt 
eine ungeheure Verantwortung auf Eltern, Lehrern, Politikern, 
Wirtschaftslenkern. Sie dürfen diese wert-orientierungslose 
Scheinwelt nicht länger ignorieren. Sie müssen wahrnehmen, dass es zu
eskalieren droht. Sie müssen versuchen, diesen gefährlichen Teil der 
Jugendgesellschaft einzuengen. Aber dazu müssen sie selbst als 
Vorbilder wirken. Vorleben, dass sich das Leben in der realen Welt 
lohnt.
Es beginnt im Kinderzimmer. Wer es, um Ruhe zu haben, mit 
Fernsehgeräten und Gameboys ausstattet und sein Kind der Elektronik 
überlässt, hat Elternpflichten erbärmlich vernachlässigt. Und in zu 
vielen Familien wird die Weitergabe einfachster Regeln des Anstands 
versäumt, geschweige denn Respekt vermittelt vor dem Menschen, seiner
Freiheit und Würde: Gerade auch die Werteerziehung ist Elternpflicht.
Jene Schläger sind eine Minderheit, nicht die Jugend ist 
schlecht. Man mag deren Verhalten mit ihrer womöglich schwierigen 
Lebenslage erklären. Es entschuldigt sie nicht. Was an 
(strafrechtlichen) Sanktionen möglich ist - sie müssen es spüren.

Rückfragen bitte an:

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Telefon: (0201) 804-0
zentralredaktion@waz.de

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