Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: (K)eine Beichte von Bush - Kommentar von Markus Günther
Essen (ots)
Die Erklärung des amerikanischen Präsidenten, dass es die vermuteten Geheimgefängnisse der CIA tatsächlich gibt, ist weder Geständnis noch Beichte. Denn zum Geständnis gehört das Unrechtsbewusstsein und zur Beichte die Reue; Bush fehlt es an beidem. Er hat ohnehin nur zugegeben, was de facto längst bekannt war. Von den Terrorverdächtigen, die jetzt nach Guantánamo überführt werden und dann angeklagt werden sollen, wusste man ja, dass die Amerikaner sie gefasst, aber bislang nicht in das berüchtigte Lager auf Kuba überführt hatten. Es war also ein simpler logischer Schluss anzunehmen, dass es weitere, eben geheime Gefängnisse unter US-Kontrolle, aber außerhalb der USA, geben muss.
Indem Bush dies nun bestätigt, verschafft er sich zugleich die Möglichkeit, die umstrittene Praxis öffentlich zu rechtfertigen. Der gewählte Zeitpunkt ist dabei taktischer Natur: Kurz nach den verhinderten Flugzeuganschlägen und wenige Tage vor dem fünften Jahrestag der Anschläge vom 11. September 2001 hofft Bush auf besonderes Verständnis für drastische Maßnahmen. Er geht zwar nicht so weit zu sagen, dass im Kampf gegen Terroristen jedes Mittel recht sei, aber "Härte" in den Vernehmungen nennt er legitim, und die Genfer Konventionen "zu vage". Außerhalb der USA wird Bush damit wohl kaum das Vertrauen in eine humane Behandlung von Terrorverdächtigen durch die CIA wiederherstellen. Innenpolitisch könnte es ihm aber gelingen, etwas aus der Defensive herauszukommen, zumal zeitgleich neue, strengere Vorschriften für die Verhöre herausgegeben und die meisten umstrittenen Praktiken (sexuelle Demütigungen, Bedrohungen mit Hunden etc.) verboten wurden. Das politische Publikum soll den Eindruck bekommen: Der Präsident greift im Anti-Terror-Kampf hart durch, ist aber auch nicht unmenschlich in seinem Vorgehen, sondern einsichtig, wenn es um die Korrektur von Fehlern geht.
Dass Bush zu derlei Einsicht nicht selbst gekommen ist, sondern unter dem massiven Druck der US-Gerichte handelt, ist aber offensichtlich. Zudem ist noch völlig offen, in welchem rechtlichen Rahmen die Terrorverdächtigen angeklagt werden sollen. Obwohl der Oberste Gerichtshof die Regierung schon einmal gebremst hat, stellt man sich im Weißen Haus immer noch vor, dass man für die Sonderverfahren wichtige Rechtsnormen außer Kraft setzen kann. Wer auf die konsequente Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien auch in Zeiten des "Krieges gegen den Terrorismus" hofft, sollte sich also weiterhin nicht auf Bush verlassen, sondern eher auf die bislang erstaunlich unbeirrten amerikanischen Gerichte setzen.
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