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WAZ: Schlechte Noten von der OECD: Kaum durchlässiger als das Kastenwesen - Kommentar von Christina Wandt

Essen (ots)

Das deutsche Bildungssystem hat eine Vielzahl von
unbestreitbaren Vorzügen und einen großen Fehler: Es ist nur 
unwesentlich durchlässiger als das indische Kastenwesen von einst. 
Wenn die Schüler nach der vierten Klasse auf die verschiedenen 
Schultypen verteilt werden, wird auch über ihre berufliche Zukunft 
entschieden. Denn der Wechsel von der Haupt- zur Realschule, von der 
Realschule zum Gymnasium bleibt die Ausnahme. Wer einmal studieren 
wird, wer eine Ausbildung machen wird, wer die Sozialhilfekarriere 
der Eltern fortsetzen muss, steht im Alter von zehn Jahren fest - 
spätestens.
Tatsächlich vernachlässigen wir die vorschulische Bildung so 
sehr, dass Kinder ausländischer oder sozial benachteiligter Eltern in
der Regel schon bei der Einschulung hinterherhinken. Kindergärten 
müssen daher zu Bildungsstätten gemacht werden, vor allem müssen sie 
die sprachliche Entwicklung der Kinder fördern. Diese Forderung hat 
keinerlei Neuigkeitswert, sie wird jedoch so mählich umgesetzt, dass 
man einmal an sie erinnern darf. Auch daran, dass ein Kindergarten, 
der Kinder bilden will, Personal benötigt, das gut qualifiziert ist 
und gut bezahlt wird.
In anderen Ländern führt längst ein Studium in den Erzieherberuf.
In anderen Ländern, das belegt der aktuelle OECD-Bildungsbericht, 
wird ohnedies viel mehr studiert. Viel mehr Menschen erwerben dort 
die Hochschulreife, viel mehr Berufe erfordern einen akademischen 
Abschluss. Möglich ist das, weil die Hochschulen flexiblere Angebote 
machen, weil nicht jeder, der dort studiert, den Nobelpreis anstreben
muss. Die Zahl kurzer, praxisorientierter Studiengänge ist größer, 
die Zugangsmöglichkeiten zur Uni sind vielfältiger.
Die Erkenntnis, dass Abschlüsse zu Anschlüssen werden müssen, 
dass ein Meistertitel ein Eintrittsticket für die Hochschule sein 
kann, setzt sich hier viel zu langsam durch. Den meisten 
Auszubildenden wird weder eine Zusatzqualifikation ermöglicht noch 
gar ein berufsbegleitendes Studium angeboten. Auch Fortbildung ist in
Deutschland ein Privileg der bereits Hochqualifizierten, für alle 
anderen muss die Rede vom lebenslangen Lernen wie Hohn klingen. Wer 
Ehrgeiz, Intelligenz und Fachwissen mitbringt, aber kein Abitur, hat 
zu wenig Möglichkeiten, sich weiterzubilden. Dabei ist akademische 
Bildung noch immer der wirksamste Schutz vor Arbeitslosigkeit, dabei 
können wir unseren Bedarf an Spitzenkräften gar nicht allein mit den 
Abiturienten decken. Es ist an der Zeit, die Kasten abzuschaffen.

Rückfragen bitte an:

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Telefon: (0201) 804-8972
zentralredaktion@waz.de

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